Oberhausen. . Zu wenig Stellenzuweisungen, zu wenig ausgebildetes Personal, wachsende Aufgabenfülle: Oberhausener Lehrerverband fordert Unterstützung vom Land NRW.
Die Lehrer an den 256 Berufskollegs im Land sind es leid: Seit Jahren würden sie vom Schulministerium immer wieder vertröstet, werde ihre Schulform in Bezug auf die Zuweisung von Lehrerstellen systematisch benachteiligt: „Wir machen immer noch gute Arbeit“, sagt Thea Kuhs, stellvertretende Vorsitzende des Verbandes der Lehrerinnen und Lehrer an Berufskollegs in NRW (VLBS) und verweist darauf, dass es nicht zuletzt die Kollegs seien, die zusammen mit der Wirtschaft dafür sorgen, dass die Jugendarbeitslosigkeit hierzulande im europäischen Vergleich konkurrenzlos niedrig sei. „Aber die Kollegs kommen jetzt an ihre Grenzen.“ Bei seiner Neujahrssitzung, die diesmal am Hans-Sachs-Kolleg in Oberhausen stattfand, warnte der Fachverband eindringlich vor einem „Personalkollaps“ an den Berufsbildenden Schulen.
Etwa 5500 Schüler besuchen derzeit die drei Berufskollegs in der Stadt, das kaufmännisch ausgerichtete Hans-Böckler-Berufskolleg, das sozialpädagogisch orientierte Käthe-Kollwitz-Kolleg sowie das Hans-Sachs-Kolleg, an dem technische Fachrichtungen beheimatet sind. Im Schnitt – so haben die Fachleute des Verbandes VLBS errechnet – würden jedem Kolleg im Land sechs Lehrerstellen vorenthalten. Allein in Oberhausen also 18: „Das wäre im gymnasialen Bereich und erst recht im Grundschulbereich nicht möglich. Da würden schon die Eltern auf die Barrikaden gehen“, ist Marc Bücker, Leiter des Hans-Sachs-Berufskollegs, überzeugt: „Mich ärgert, dass unseren Schülern nicht gegeben wird, was ihnen zusteht, weil sie keine Lobby haben.“
Umfassendes Personalproblem an Berufkollegs
Am Beispiel seiner Schule macht er Facetten des umfassenden Personalproblems an Berufskollegs deutlich: „Selbst wenn bei uns alle Lehrer an Bord sind, können wir die Stundentafel nicht voll erfüllen – ganz zu schweigen von Hausaufgabenbetreuung, Sport-AGs oder irgendwelchen zusätzlichen Förderangeboten, die wir natürlich gerne anbieten würden.“ Grund seien unter anderem Stundenermäßigungen für Lehrer im fortgeschrittenen Alter oder für Langzeiterkrankte, die wieder eingegliedert werden und erst allmählich wieder an ihre volle Stundenzahl herankommen. Deshalb bräuchte man von vornherein mehr Lehrerstellen, um auch nur den vollen Unterricht erteilen zu können.
Zu wenig Nachwuch
Jährlich werden laut VLBS 79 Kolleginnen und Kollegen mit der Fachrichtung Elektrotechnik pensioniert, 98 in der Fachrichtung Metalltechnik. Dem hätten im Jahr 2012 in ganz NRW nur elf fertig ausgebildete Referendare gegenübergestanden.
An den Hochschulen sehe es noch düsterer aus: Landesweit waren 2012 nur 60 Studierende in Elektrotechnik eingeschrieben – über alle Semester: Bleiben fürs Referendariat nur 8 bis 10 übrig, wenn alle durchhalten.
Aber das ist bei weitem nicht das einzige Problem, mit dem sich die Kollegien der Kollegs herumschlagen müssen: Besonders in technischen Fachrichtungen fehle es ganz einfach an qualifiziertem Lehrkräftenachwuchs. Altersbedingt werden in den nächsten Jahren viele Fachleute in den Ruhestand verabschiedet. An den Universitäten aber würden in vielen Fachrichtungen gar nicht genügend Berufsschullehrer ausgebildet. Gerade in den technischen Disziplinen wie Elektrotechnik oder Maschinenbau sei es für junge Leute auch deutlich attraktiver, in die Wirtschaft zu gehen, statt auf Lehramt zu studieren – schon aus finanziellen Gründen. Deshalb fordert der Verband, dass das Lehramt an Berufskollegs vom Land auch finanziell attraktiver gestaltet werden müsse: „Nach abgeschlossenem Hochschulstudium haben unsere jungen Kollegen im Referendariat derzeit gerade mal 1000 Euro netto in der Tasche. Sie stehen dann vor einer Klasse von Azubis, die kaum weniger verdienen“, erzählt Thea Kuhs.
Zu 80 Prozent werdenSeiteneinsteiger eingestellt
Wegen dieses schon seit Jahren fehlenden Fachkräftenachwuchses werden schon jetzt zu 80 Prozent „Seiteneinsteiger“ eingestellt – zum Beispiel arbeitslose oder pensionierte Ingenieure. Da sie in der Regel aber keinerlei pädagogische Vorbildung haben, müssten sie erst entsprechend durch ihre Kollegen weitergebildet werden. Das wiederum koste Zeit, die im Unterricht fehle. Dafür sollten betroffene Kollegs einen Stellenzuschlag erhalten, fordert der Verband.
Eine ganz neue Herausforderung, die manche Kollegs erst jüngst erfahren haben, ist die Einrichtung von Internationalen Vorbereitungsklassen für Flüchtlinge. Da sie im bereits laufenden Schuljahr erfolgen musste, gibt’s erstmal keine personelle Verstärkung: „Da müssen wir dann in 20 Klassen je eine Unterrichtsstunde kürzen, um 20 Stunden für die Vorbereitungsklasse zusammenzubekommen“, erzählt Bücker. „Wir brauchen vom Land einfach mehr Hilfe. Sonst blutet das System aus.“