Oberhausen. Ein Hausbesitzer an der Flaßhofstraße erzählt vom Fest im Rotlichtmilieu. Die Häuser sind an den Feiertagen geöffnet. Seelentrösterinnen sind gefragt.

Wie ist das eigentlich? Die Weihnachtszeit im Oberhausener Rotlichtmilieu an der Flaßhofstraße? Markus H. kann nicht nur erzählen, wie Weihnachten heute in seinem Haus dort gefeiert wird. Der 43-Jährige erinnert sich auch noch gut an die festlichen Tage, die er als Kind in dem Haus an der Essener Stahlstraße erlebte. Das Haus an der Stahlstraße war das erste seines Vaters, mit dem Markus H. heute die Geschäfte gemeinsam führt. Das in Oberhausen kam später dazu. Die Familie H. vermietet in ihren Häusern Zimmer an Frauen, die dann dort die Männer empfangen.

„Früher war alles sehr familiär“, erzählt Markus H. Was daran lag, dass die Frauen über Jahre in einem Haus arbeiteten. Am Rande erwähnt der 43-Jährige, dass von der damaligen Stammbelegschaft an der Stahlstraße noch drei Frauen geblieben seien. Die Damen, mittlerweile so Mitte 60, arbeiteten mit jahrelangen Stammkunden. Sie seien Dominas und ein Vertrauensverhältnis zwischen Domina und Kunden – das seien meist einflussreiche Männer – besonders wichtig.

Wie Nomaden und Buschtrommeln

Aber zurück zu Weihnachten. Für den kleinen Jungen war die Weihnachtsfeier an der Stahlstraße immer etwas sehr Besonderes. „Die Mädchen haben mich behandelt wie einen kleinen Prinzen“, erzählt er. Er sei von den Frauen, die selbst keine Kinder hatten, mit Geschenken überschüttet worden. „Da konnte der Teddy gar nicht groß genug sein“, erinnert sich Markus H. Im Gegenzug verteilte er selbst gebastelte Engel an die Frauen und trug Gedichte vor. „Wir haben auch alle zusammen gesungen.“ Schließlich wurde bis zum frühen Morgen gemeinsam gefeiert. „Die Frauen haben sich für diesen Tag immer frei genommen.“

Das tun sie heute nicht mehr. Auch im Hause H. an der Flaßhofstraße gibt es heute noch Frauen, die dort schon seit Jahren arbeiten, der Trend geht aber zum schnellen Wechsel von Häusern und Städten. „Die Männer wollen immer mal ei­nen anderen Typ Frau.“ Und dann funktioniere das Geschäft bei ihnen wie über Buschtrommeln. „Ein Mädchen kommt zu uns, verdient gut, ruft eine Freundin an, die wiederum eine Freundin anruft.“ So kämen die Frauen nach Oberhausen. Ließe ihr Verdienst hier nach, zögen sie weiter.

Runder Tisch

Die Bordelle an der Flaßhofstraße haben verschiedene Eigentümer und Betreiber. Es gibt Frauen, die dort freiwillig als Prostituierte arbeiten. Der Verein Solwodi („Solidarity with women in distress“ – Solidarität mit Frauen in Not) geht allerdings davon aus, dass es in dem Oberhausener Rotlichtviertel auch viele Frauen gibt, besonders aus dem Ausland, die sich nicht freiwillig prostituieren. Und denen, so Solwodi, von den Bordellbetreibern der Kontakt zur Außenwelt verboten wird.

Seit 2013 gibt es den Runden Tisch Prostitution, zu dem Behörden, Polizei und Beratungsstellen zählen. Ziel: Die Situation der Prostituierten zu verbessern.

Von Topfsets bis zu iPods

Deshalb ist der Ablauf der Feier, die immer kurz vorm Fest stattfindet, etwas anders. Nicht mehr ganz so familiär. Geblieben ist: Die Feier, zu der auch die Hauswirtschafter kommen, beginnt um 18 Uhr. Der Senior-Chef hält eine Rede, der Junior-Chef auch. Dann gibt es Sekt, Essen vom Buffet und später Geschenke für die Frauen. Alle bekommen immer das Gleiche. Ach, was da schon alles verschenkt wurde. „Von Topfsets über Wäsche bis hin zu iPods.“ Nach der Bescherung gingen die ersten der Mädchen schon wieder hoch zum Arbeiten.

Heiligabend und an den Weihnachtstagen sind die Häuser der Familie H. übrigens geöffnet, obwohl auch viele der Frauen das Fest der Liebe lieber im Kreise ihrer Familien verbringen. „Wir hatten schon mal überlegt, am 24. Dezember zu schließen, den Gedanken aber doch wieder verworfen.“ Es gebe immer einige Frauen, die alleinstehend seien und an diesem Tag lieber arbeiteten, als allein zu Hause zu sein. „Manchmal machen die Frauen auch nur ihre Miete und trinken dann zusammen Sekt.“ Und dann seien die Gäste an diesem Tag auch anders gestimmt. Der Mann, der da käme, bliebe meist nicht nur 20 Minuten, eher schon mal ein, zwei Stunden. „An diesem Tag ist die Frau nicht nur sexuelle Dienstleisterin, sondern auch Seelentrösterin.“