Oberhausen. . Der Vierjährige genießt seit einem Jahr Frühförderung. Er ist heute viel selbstbewusster. Die Hilfsleistungen gibt es bei der Lebenshilfe Oberhausen.

Als Tristan zwei Jahre alt war, spürte Sabrina Klitzsch, dass irgendetwas nicht in Ordnung war mit ihrem Sohn. Der Kleine war sehr ruhig und in sich gekehrt. Und er konnte sich irgendwie nicht richtig artikulieren. Ihre „super Kinderärztin“ habe bald erkannt, dass es Tristan an Körperspannung und Konzentration mangelte, erzählt die dreifache Mutter. Und sie habe eine Frühförderung empfohlen. So kamen Mutter und Sohn zur interdisziplinären Frühförderung der Lebenshilfe, die in diesem Jahr ihren 40. Geburtstag feiert. Heute, gut ein Jahr später, ist Tristan nicht mehr derselbe.

Alles unter einem Dach

Für Sabrina Klitzsch war der Gang zur Lebenshilfe ein Volltreffer. Zuhause hatte sie schon alles mögliche probiert: gepuzzelt, vorgelesen, gespielt und ihrem Jüngsten besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt. Doch es reichte alles nicht. „Ich bin nicht hysterisch“, sagt die 33-jährige Alstadenerin. „Ich beobachte mein Kind nicht ständig und vermeide eigentlich jeden Arztbesuch.“

Einzeln oder in Gruppen

Gefördert wird einzeln oder in Gruppen an der Marktstraße ( 27 881) und an der Bahnhofstraße ( 63 05 03) – und auch zuhause oder im Kindergarten.

Zum Team gehören 16 Mitarbeiter: Heilpädagogen, Sprachheilpädagogen, Sozialpädagogen, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Psychologen und Ärzte.

Finanziert wird die Frühförderung über die Eingliederungshilfen der Stadt. Auf Eltern kommen keine Kosten zu.

Seit Umstellung auf Komplexleistung (Heilpädagogik plus andere Therapien) heißt die Frühförderung „interdisziplinär“.

Die jüngsten Förderkinder sind Säuglinge, die ältesten sechs Jahre alt. 2013 waren es 183 Kinder.

Dennoch sei es genau die richtige Entscheidung gewesen, Tristans Auffälligkeiten mit der Kinderärztin zu besprechen. Nachdem dann auch das Gesundheitsamt Tests durchgeführt und das Einverständnis für die Therapie gegeben hatte, ging es endlich los. Erst mit Heilpädagogik, später kamen Ergotherapie und Logopädie dazu – alles unter einem Dach. Das ist das besondere Kennzeichen des interdisziplinären Förderangebots.

Gabi Rudo ist Tristans Ergotherapeutin und seit fast zehn Jahren bei der Lebenshilfe. Sie weiß, dass es verschiedene Ursachen für Entwicklungsverzögerungen bei Kindern geben kann: „Es kann am Sauerstoffmangel während der Geburt liegen, es kann eine Bindungsstörung sein oder es gibt Ereignisse, die das Kind belasten.“ Natürlich könne es auch einmal die Diagnose ADHS sein, die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Doch gerade bei Vorschulkindern benutze sie diesen Begriff nur ungern, sagt Rudo. Es sollen keine vorschnellen Schlüsse gezogen werden. „Wir halten zunächst einmal alles offen und ziehen alle Möglichkeiten in Betracht.“

Bessere Körperwahrnehmung

Dem inzwischen vierjährigen Tristan verhilft Gabi Rudo zu einer besseren Körperwahrnehmung, sie unterstützt ihn darin, sich besser zu spüren, besser bei sich zu sein und sich somit auch besser zu konzentrieren. Sabrina Klitzsch, die ihren Sohn Woche für Woche zur Lebenshilfe-Einrichtung an der Marktstraße bringt, freut sich über viele positive Effekte: „Tristan ist viel selbstsicherer geworden, seine Aussprache hat sich verbessert.“

Aufgeweckt und freundlich sei ihr Sohn. Das schreibt sie Rudo und den anderen Therapeuten zu. „Ein super Team, zu dem ich sofort Vertrauen hatte“, lobt Klitzsch. „Ich habe das Gefühl, dass hier alle echtes Interesse an den Kindern haben.“ Zudem sei es eine tolle Sache, dass alle Ansprechpartner in einem Haus zusammenarbeiten. Das gebe den Kindern Sicherheit und den Therapeuten die Möglichkeit zum Austausch.

„Multi-Problem-Familien“

Gabi Rudo hat den Eindruck, dass sich Verhaltens- und Sprachauffälligkeiten bei den kleinen Klienten in letzter Zeit häufen. Und das Phänomen der „Multi-Problem-Familie“. In diesen erschwere eine Kombination von Migration, Armut und Bildungsferne oftmals die Arbeit, denn: „Die Eltern müssen unsere Förderung unterstützen. In einer Stunde pro Woche kann man nicht viel ausrichten.“ Positiv sei hingegen, dass die Kleinen in immer jüngerem Alter kommen. „Da haben wir dann sehr gute Einflussmöglichkeiten“, sagt Rudo, „auch bei der Entwicklung der Beziehung von Eltern und Kind.“

Sabrina Klitzsch hat großen Einsatz gezeigt für Tristan, von Anfang an. Auch wenn es nicht leicht war mit drei Kindern, auch wenn ausgerechnet in diese Zeit die Trennung von ihrem Mann fiel und sie sich obendrein noch als Kosmetikerin selbstständig machte. „Für mich gab es keine andere Option“, sagt sie. „Das ist meine Pflicht. Ich ebne Tristan den Weg.“ Sie ermuntert andere Eltern: „Es ist zwar mühsam und man muss einen langen Atem mitbringen, aber es lohnt sich absolut.“