Oberhausen. Eine Werkstatt für Behinderte kam für Anja Wegner nicht infrage. Sie wollte Kauffrau werden – und hat zielstrebig daraufhin gearbeitet.
Anja Wegner hat das geschafft, wovon viele junge Menschen mit einem Handicap träumen: Nach einer dreijährigen Reha-Ausbildung zur Bürokauffrau bei der „Werkkiste“, einer katholischen Einrichtung der Jugendberufshilfe in Duisburg, wurde sie im Sommer dieses Jahres vom Evangelischen Krankenhaus Oberhausen (EKO) in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung übernommen - dass sie im Rollstuhl sitzt, spielt hier überhaupt keine Rolle.
Schon während der Schulzeit stand für die 24-Jährige fest: Eine Werkstatt für behinderte Menschen kommt für sie nicht infrage. „Ich habe mir den schwierigeren Weg ausgesucht und mich für eine kaufmännische Ausbildung entschieden, weil ich da gut mit meiner körperlichen Einschränkung zurecht komme“, erzählt Wegner. Von ihrem Handicap ließ sich die aufgeschlossene Frau allerdings nicht unterkriegen: „Ich musste mich durchbeißen, habe nie aufgegeben und für diesen Job gekämpft.“ Daher ist ihre Freude nun umso größer.
Nach der Ausbildung Teil des Teams
Die junge Frau kam bereits querschnittsgelähmt auf die Welt, sie leidet an der so genannten Spina Bifida Erkrankung – ein Leben ohne Rollstuhl ist für sie undenkbar, auch ihre Wohnung ist behindertengerecht umgebaut.
Nachdem sie erfolgreich die Christy-Brown-Schule für körperbehinderte Kinder und Jugendliche abgeschlossen hatte, informierte sie sich bei der hiesigen Arbeitsagentur über mögliche Weiterbildungsangebote. „Ich habe dann an der Volkshochschule meinen Hauptschulabschluss nachgeholt, um meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.“ Auch Doris Linde, Reha-Beraterin bei der Arbeitsagentur, lobt ihre Zielstrebigkeit: „Sie hat enormen Durchhaltewillen bewiesen, sehr viel Engagement, Motivation und Fleiß gezeigt.“ Und es hat sich gelohnt: Dank der Arbeitsagentur und ihrem Kampfgeist fand sie eine Ausbildungsstelle zur Bürokauffrau bei der „Werkkiste“ in Duisburg. Während ihrer dreijährigen Reha-Ausbildung machte sie ein Praktikum im EKO und war sofort begeistert: „Das Team und die Atmosphäre ist einfach klasse. Hilfe benötige ich nur, wenn Ordner oder Gegenstände in besonders hohen Regalen liegen.“ Und Ralf Horwat, stellvertretender Leiter des Bereichs Personalmanagement im EKO, hat sie von ihren Fähigkeiten überzeugt: „Sie brachte nicht nur sehr gute Voraussetzungen mit, sie war sehr pflichtbewusst und keine Aufgabe war ihr zu viel.“ Daher war für Horwart klar: Die 24-Jährige wird nach ihrer Ausbildung zum Team gehören: „Wir sind sehr stolz auf ihre Entwicklung und sie ist eine wahre Bereicherung für uns alle – einfach ein ganz tolles Beispiel dafür, dass schwerbehinderte Menschen eine berufliche Perspektive haben.“
Das nächste Ziel: Der Führerschein
Wegner kümmert sich bereits seit Juli dieses Jahres um die Patientenaufnahme, Abrechnungen mit den Krankenkassen und den Posteingang: „Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Chance bekommen habe und möchte damit anderen Menschen Mut machen.“ Auch Jürgen Koch, Leiter der Arbeitsagentur Oberhausen / Mülheim, betont: „Schwerbehinderte Menschen dürfen nicht ausgegrenzt werden, nur dann können sie ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben führen: Frau Wegner ist da ein Paradebeispiel.“ Die Arbeitsagentur zahlte nicht nur einen Eingliederungszuschuss, sondern übernimmt auch anfallende Beförderungskosten. „Derzeit stellen wir auch einen Antrag für einen höhenverstellbaren Schreibtisch und Armstützen“, so Linde.
Einen Traum möchte sich Wegner noch erfüllen: Endlich den Führerschein machen. Linde: „Auch da wird sie von der Arbeitsagentur unterstützt, damit die junge Frau noch selbstständiger wird.“