Oberhausen. . Hohes Gestaltungsniveau im letzten Sinfoniekonzert der Saison mit den Kiewer Philharmonikern unter Mykola Dyadiura. Die Violin-Solistin Dalia Kuznecovaite gestaltete vorzüglich auch die halsbrecherischen, virtuosen Passagen in Tschaikowskys Violinkonzert.

Die Philharmonie Kiew unter der Leitung von Mykola Dyadiura und die aus Litauen stammende Violin-Solistin Dalia Kuznecovaite bereiteten dem Oberhausener Publikum am Donnerstagabend einen mit Begeisterung aufgenommenen Abschluss der diesjährigen Konzertsaison.

Es begann mit einem gerade wegen seines Doppelcharakters interessanten Stück, Michael Glinkas „Capriccio brillante über La Jota aragonese: Ein Vorkämpfer des russischen Folklorismus ist von der spanischen Volksmusik fasziniert und erweist ihr seine Reverenz, ohne aber den russischen Charakter seiner musikalischen Sprache zu verleugnen.

Programmvorschau

Am 10. März kommt das Studentenorchester der Waseda-Universität Tokyo, am 29. Mai dirigiert Oliver Leo Schmidt das „Musik der Zukunft“-Konzert.

Am 1. Oktober gastiert hier die Philharmonie Lemberg, am 13. November das Sinfonieorchester Litauen. Mit dabei Geiger Noé Inui und Cellistin Janina Ruh.

Spannung aus der Struktur entwickeln

Tschaikowskys Violinkonzert löste bei seinem ersten Erscheinen zum Teil heftige Widerstände aus, die in den wüsten Verrissen des damaligen „Kritikerpapstes“ Hanslick gipfelten („Musik, die man stinken hört“). Dass das Werk noch enorm an Expressivität gewinnt, wenn man die Spannung aus der Struktur entwickelt und so über das übliche, vordergründige Klischee von Virtuosität und Temperament hinausgeht, zeigten die Solistin Dalia Kuznecovaite und Dirigent Dyadiura in offensichtlicher Einmütigkeit.

Auch halsbrecherische, virtuose Passagen wurden zu musikalischen Gestalten, manche Partien, etwa in der Kadenz oder im zweiten Satz, meditativ zurückgenommen.

Kennen Sie fröhliche Musik?

Nach heftigem, ausdauerndem Beifall eine ungewöhnliche Zugabe: Ysayes „dies irae“-„Obsession“ aus der zweiten Solosonate: apokalyptisch. „Kennen Sie fröhliche Musik?“ soll Franz Schubert einmal einen Freund gefragt haben. Bei dem von ihm verehrten Beethoven treten die Gegensätze auseinander und liefern sich einen mehr oder weniger dramatischen Kampf, bei ihm als Romantiker sind sie unauflöslich ineinander verwoben: Alles kann auch sein Gegenteil sein. In seiner Sinfonie Nr. 9 werden die „himmlischen Längen“ (Schumann) zu Chiffren der Ausweglosigkeit, immer wieder von Phasen ratlosen Suchens oder katastrophischen Pausen unterbrochen, besonders heftig im zweiten Satz.

Tänzerische Rhythmen nehmen den Charakter untergründigen Getrieben-seins an oder schmettern wie ein „Memento Mori“ am Schluss in die trügerische Scheinidylle. Wie Dyadiura mit den hervorragenden Kiewer Philharmonikern diesen unauflöslichen Zwiespalt in Klang und plastische musikalische Rede umsetzte, war einfach kongenial und machte betroffen. Auch das Orchester kam nicht ohne Zugabe davon.

Die nächste Saison bringt leider auch nur vier Konzerte statt der früher üblichen sechs (siehe Kasten).