Oberhausen. Oberhausener Wolfgang Göthel bemängelt „altersfeindliche Produkte“ in den Geschäften. Sicherheitsverschlüsse für Kinder seien beispielsweise nicht nur ein Problem für die Jungen, sondern auch für die Alten. Die Caritas plant eine „mobile Heinzelmanntruppe“ als Haushaltshelfer für Alleinlebende.

Wolfgang Göthel kümmert sich mit Engagement um seine 91-jährige Mutter. „Dabei habe ich aber schnell bemerkt, wie altersfeindlich unsere Umwelt ist.“ Und dann legt der 63-Jährige los: In den Regalen der Supermärkte ständen Mineralwasserflaschen, die die Seniorin alleine nicht öffnen könne. „Dabei sollen alte Leute doch viel trinken.“ Die meisten Reinigungsmittel seien mit einer Kindersicherung versehen, die sich zugleich als Seniorensicherung entpuppe. Viele Suppendosen seien über einen Aufreißring zu öffnen, „für den man Bodybuilder sein muss“. Dazu kämen Fernbedienungen mit viel zu kleinen Knöpfen und unlesbarer Schrift, Smartphones, die gar keine Tasten mehr besäßen und Bedienungsanleitungen, bei denen „nur der Hersteller weiß, was er sagen will“.

Göthel folgert: „Es wird Zeit, dass sich die Unternehmen mit ihren Produkten in die Altenheime begeben und dort die Dinge auf ihre Alltagstauglichkeit testen lassen.“ Eine Forderung, mit der er nicht alleine da steht. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund weist Hersteller seit langem sogar darauf hin: Mit ersten Alterserscheinungen plagten sich nicht erst Menschen ab 50 Jahren herum, sondern bereits Kunden zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Schon in diesem Alter machten sich erste körperliche Veränderungen bemerkbar. Dazu gehörten die Zunahme der Breite von Daumen und Zeigefinger, eine eingeschränkte Beweglichkeit von Hand und Halswirbelsäule sowie ein höherer Zeitbedarf bei der Erledigung unbekannter Aufgaben. Produkte, die sich für Ältere eignen – folgert die Bundesanstalt – seien für alle von Vorteil.

44.000 Oberhausener sind 65 Jahre und älter

Und da habe sich in den letzten Jahren zumindest ein wenig getan, meint Sabine Köther, bei der Caritas Oberhausen für die Altenhilfe zuständig. Für Sprudelflaschen sei ein Klickverschluss im Handel, der das Öffnen erleichtere. Es gäbe längst spezielle TV-Fernbedienungen für Senioren mit besonders großen Tasten. Gleiches gelte für Handys und Telefone. Sie rät: „Einfach im Handel danach fragen; die Sanitätshäuser vor Ort zum Beispiel kennen viele weitere, nützliche Hilfsmittel.“ Die Wohnberatung der Stadt biete außerdem Unterstützung bei der Pflege in der eigenen Wohnung durch Hilfsmittel oder Anpassungsmaßnahmen an (Ute Schulze, 6996511).

Rund 44.000 Oberhausener sind aktuell 65 Jahre und älter. Im Jahr 2030 werden es 54.000 sein. Vor diesem Hintergrund macht Köther ein anderes Thema mehr Sorgen: „Wir erhalten viele Anfragen von alleinlebenden älteren Menschen, die Hilfe bei kleineren häuslichen Tätigkeiten suchen.“ Mal ist die Schranktür aus den Angeln, mal müsse die Glühbirne ausgewechselt werden. „Eine Dame, die krank zu Hause lag, erkundigte sich, wer für sie einkaufen könnte.“ Über einen nahegelegenen Supermarkt hat Sabine Köther der Frau rasch einen Einkaufsservice vermitteln können. Lösungen für die anderen Probleme aber hatte die Caritas-Mitarbeiterin nicht zur Hand. „Deshalb planen wir jetzt, mit Hilfe von Ehrenamtlichen eine mobile Heinzelmanntruppe auf die Beine zu stellen.“ Dabei sollen auch die Ehrenamtlichen der Kirchengemeinden eingebunden werden.

Gütesiegel für seniorenfreundliches Einkaufen

Ein bislang einzigartiges Hilfsprojekt startete auch die Stadt mit ihrer mobilen Beratung für Senioren. Jeden ersten Donnerstag im Monat steht ein Kleinbus vor dem Supermarkt an der Buschhausener Straße 190 (9 bis 12 Uhr) und jeden dritten Donnerstag vor dem Supermarkt an der Bebelstr. 212 (9 bis 12 Uhr). Der Andrang ist gewaltig, freut sich Jan Katner. Zwölf Beratungen führe er an einem Vormittag durch. Schwerpunkte: „Wie beantrage ich eine Pflegestufe?“ Oder: „Wie finde ich einen ambulanten Pflegedienst, bei dem man auch kleinere Hilfsdienste buchen kann?“. Katner konnte weiterhelfen. Er führt übrigens auch Hausbesuche durch (6996514).

Mit dem vom Handelsverband Deutschland (HDE), dem Bundesministerium für Familie sowie weiteren Institutionen ins Leben gerufene Qualitätszeichen „Generationenfreundliches Einkaufen“ werden Einzelhandelsunternehmen ausgezeichnet, die sich mit dem demographischen Wandel auseinandersetzen. Das sind Geschäfte, in denen der Einkauf für ältere Menschen, für Familien und Menschen mit Handicaps so komfortabel wie möglich ist. Bundesweit wurden bis September 2014 nun 7414 Geschäfte ausgezeichnet, in NRW sind es 652, acht davon befinden sich in Oberhausen. Anhand von 58 Kriterien überprüften Tester in den Geschäften, etwa die Breite der Gänge, die Höhe der Regale, die Gestaltung der Sortimente, die Größe der Umkleidekabinen, die Beleuchtung, die Lesbarkeit von Preisschildern.