Mülheim. Mit einem Verhaltenskodex und Streckenkonzept wollen die Mülheimer Trailriders Ruhr den Mountainbike-Sport stärken. Wo bislang die Hürden liegen.

Der Groll über den plötzlichen Abriss der – illegalen – Mountainbike-Strecke am Großen Berg ist bei vielen verraucht. Jetzt wollen die Mitglieder des gerade deswegen im Juni gestarteten MTB-Vereins „Trailriders Ruhr“ mit Tempo in die Zukunft gehen.

Bereits ein Konzept für eine umweltverträgliche Mountainbike-Strecke haben sie ausgearbeitet und verpflichtende Verhaltensregel für Mitglieder aufgestellt. Respekt wollen sie gegenüber dem Wald, dessen Bewohnern und anderen Nutzern zeigen. „Wir wollen deutlich machen, dass Mountainbike und Naturschutz zu vereinbaren sind“, sagt der Vorsitzende Max Reinartz.

Mülheimer Verein sieht Mountainbiker zu unrecht als Naturrowdys stigmatisiert

Denn die „Pfad-Reiter“ (engl. „Trails“) sind vielleicht keine Pfadfinder, sehen aber sich und den Großteil ihrer Sportzunft oft zu Unrecht in die Ecke rücksichtsloser Naturrowdys gestellt. „Es ist eine Frage der Fahrweise. Normalerweise ist der Schaden nicht höher als der von Wanderern. Deshalb wehren wir uns gegen eine Stigmatisierung“, sagt Reinartz. Mountainbiker führen nicht wild durch die Natur, sondern auf Wegen – jenen „Trails“ eben. Die, das räumt Reinartz durchaus ein, zum Teil von Mountainbikern selbst angelegt werden.

Das wiederum ist nach aktuellem Landschafts- und Naturschutz nicht legal. Bliebe es bei der ausnahmslosen Regelung, hieße dies das Aus für den Sport, sieht Reinartz ein Dilemma. Denn unter den jetzigen Schutzbedingungen gibt es im gesamten dicht bebauten Ruhrgebiet keine Naturfläche, die nicht mindestens unter Landschaftsschutz stünde.

Trailriders haben ein Streckennetz vom Broicher Wald bis Kettwig erarbeitet

Es blieben also nur die üblichen Radwege, die Fahrradfahrer sich mit Wanderern und Spaziergängern teilen. Doch die „Bergsportart“ lebt davon, über Stock und Stein und eben nicht auf gerader Strecke unterwegs zu sein. Trails müssten attraktiv sein, „ein bisschen Nervenkitzel bieten“, um wildes Fahren zu verhindern. Zudem stünde man auf normalen Wegen in noch größerem Konflikt mit Fußgängern, argumentieren die Trailriders. Beim Reitsport etwa habe man in der Natur eigene Pfade geschaffen – warum also nicht für Mountainbiker?

Am 26. Juni 2021 demonstrierten rund 100 Mountainbike-Enthusiasten vor dem Mülheimer Rathaus für den Erhalt des Mountainbike-Parcours am Großen Berg. Der allerdings wurde kurz darauf abgerissen.
Am 26. Juni 2021 demonstrierten rund 100 Mountainbike-Enthusiasten vor dem Mülheimer Rathaus für den Erhalt des Mountainbike-Parcours am Großen Berg. Der allerdings wurde kurz darauf abgerissen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Die Trailriders sind seit Juni in den Dialog mit der Stadt und mit Teilen der Politik getreten, um den Sport in der Natur in geeignete Bahnen zu lenken. Bewegt hat sich noch nichts. Weder gibt es offene Zustimmung für den Wiederaufbau des planierten Bike-Parks – aus Reinartz Sicht wäre das ein wichtiges Angebot für Jugendliche, die in der Regel vor Ort bleiben –, noch für ein Streckennetz von Saarn bis nach Kettwig.

Ein solches haben die Pfad-Reiter inzwischen ausgearbeitet. Das Netz wäre „legal und umweltverträglich“, argumentiert der Verein, der dieses auch betreuen und instandhalten würde. Das dafür notwendige Vertragswerk hat der Verein ebenfalls dem Mülheimer Sportservice vorgelegt, „das wäre eigentlich nicht unsere Aufgabe gewesen“, meint Reinartz. In ähnlicher Weise sind Strecken etwa in Krefeld und Freiburg entstanden. Aus Richtung des Forstamts jedoch soll es bislang nur ein knappes „Nö“ gegeben haben.

Bisher gibt es kein grünes Licht aus Politik und Verwaltung

Aus Sicht der Verwaltung sei auch ein neuer Dirt-Bike-Park am Großen Berg „in absehbarer Zeit“ nicht möglich, „da zur Änderung der Natur- und Landschaftsschutzgebiete zeitaufwändige Landschaftsplan-Änderungsverfahren durchgeführt werden müssten“. Deutlichen Gegenwind spürt der Verein hingegen aus Richtung der Naturverbände: „Jegliche Art von Errichtung einer Sportstätte hat im Wald oder zu Lasten des Waldes nichts zu suchen“, heißt es in einer Presseerklärung des Nabu und BUND. „Wir haben uns um einen Dialog bemüht. Leider ist er noch nicht geglückt“, wandern die Trailriders noch auf den Pfaden der Diplomatie.

Gerade Kinder und Jugendliche seien auf ein lokales Angebot für den Mountainbike-Sport angewiesen, argumentieren die Trailriders für den Wiederaufbau des Dirt-Parks am Großen Berg.
Gerade Kinder und Jugendliche seien auf ein lokales Angebot für den Mountainbike-Sport angewiesen, argumentieren die Trailriders für den Wiederaufbau des Dirt-Parks am Großen Berg. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

So hat der Verein in wenigen Wochen einen Teil zwar erledigt, der eigentlich Aufgabe der Stadt gewesen wäre. Denn schon vor Jahren hatte sie durch den verabschiedeten Masterplan „Spielen und Bewegen“ einen klaren Auftrag: „Unter Beteiligung aller Betroffenen ist ein Konzept zu erarbeiten, wie und wo in Mülheim einvernehmlich Mountainbike gefahren werden kann.“ Auch das „an verschiedenen Stellen temporäre selbst gebaute Strecken entstehen“ ist längst als Problem erkannt.

Stattdessen aber hat niemand die notwendigen Schritte vorangetrieben – und so herrscht seit Jahren im Mülheimer Wald eines: reine Anarchie. Den seit Jahren existierenden „temporären Strecken“ werden weder das Forstamt noch die Ordnungskräfte Herr. Auch nach dem Abriss des Parcours am Großen Berg gibt es im Stadtgebiet noch immer etliche wilde Wege und geheime Parks.

Noch halten Mülheimer Mountainbiker die Beine still

Und die sind zum Teil „echt gefährlich“, sagt auch der Vorsitzende Reinartz, „wenn wir so etwas sehen, machen wir es inzwischen weg, damit sich keiner verletzt“. Weil aber das Angebot fehlte, wüchsen sie schnell wieder nach. Mit regelmäßigen Fahrtrainings, Erste-Hilfe-Übungen, Technik-Lehrgängen glauben die Trailriders, den Sport mit der Natur in Einklang zu bringen.

Dazu verpflichten sich die Trailriders

Der Verein gibt klare Verhaltensregeln (genannt „T.R.A.I.L.S.“) vor: 1) „Wir bleiben auf den Trails / Wegen, fahren so, dass wir sie nicht unnötig beschädigen und halten sie auch in Stand, wo wir es dürfen. 2. Wir respektieren den Wald und dessen Bewohner und vermeiden unnötige Belastungen (Lärm, Rides nach 22 Uhr etc.).“

3. „Wir pflegen einen kooperativen und respektvollen Umgang mit anderen Waldnutzern (wir bremsen ab, wir lassen Vortritt, wir grüßen etc.), 4. Wir halten unsere Räder in einwandfreiem Zustand, um sicher und ohne Probleme fahren zu können (v.a. Bremsen, Reifen, Bolt-Check).“

5. „Wir hinterlassen absolut keinen Müll und keine Schadstoffe in der Natur, 6. Wir tragen beim Biken immer einen Helm und je nach Situation auch weitere Protektoren.“ Mehr Infos: www.trailriders-ruhr.com/

Rund 900 Follower haben die Trailriders nach eigenen Angaben auf Instagram, „echte“, betont Reinartz. Auch die Website und der Facebook-Auftritt seien nach technischen Schwierigkeiten seit kurzem online. So groß und unterschiedlich wurde der neue Verein in kurzer Zeit, dass er bereits eine Jugend- und eine Frauengruppe hat.

Stolz sind die Trailriders darauf, dass gerade ihre Verhaltensregeln durchgehend akzeptiert sind. Viele hielten sich derzeit bewusst zurück, heißt es. Doch damit es so bleibt, glaubt Reinartz, müssten Politik und Verwaltung bald ein Zeichen setzen. Sonst könnte im Wald sie wieder herrschen: die Anarchie.