Mülheim. Zwei muslimische Gemeinden trafen mit ihren Moschee-Plänen auf Widerstand bei Nachbarn. Während das Projekt auf der Heimaterde scheiterte, erhielten die Styrumer nach Gerichtsentscheid grünes Licht für einen Neubau. Bleibt die Frage: Wie kann man solcher Ablehnung entgegenwirken?

Über ein Jahr lang liefen die Gespräche, dann kam die plötzliche Absage. Der massive Widerstand der Anwohner verhinderte, dass die Ahmadiyya Muslim Jamaat Gemeinde auf der Heimaterde eine Kirche zur Moschee umbaut. Die Neuapostolische Kirche zog sich aus den Verkaufsgesprächen zurück. Auch in Styrum wehrten sich Anwohner gegen die Pläne des Islamischen Kultur- und Integrationsvereins, an der Hohen Straße eine Moschee zu bauen und klagten – vergeblich. Beide Fälle werfen Fragen auf: Woher kommt diese fast reflexartige Gegenwehr? Gibt es eine anti-islamische Stimmung in der Stadt?

Michael Rubinstein, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, fasst es plakativ zusammen: „Die Christen bauen ihre Kirchen eher ab. Wenn Juden eine Synagoge eröffnen, muss mindestens die Ministerpräsidentin kommen. Und wenn Muslime eine Moschee bauen, wird das Ende des Abendlandes ausgerufen.“ Letzteres ist für ihn ein Zeichen von „Alltagsdiskriminierung und Rassimus“ und bezeichnend für die anti-muslimische Stimmung im Land, die auf einen Sommer folge, der von einer anti-jüdischen Stimmung geprägt gewesen sei. Für Rubinstein kann die Lösung nur sein, gemeinsame Sache zu machen: „Wenn sich die Religionen auseinanderdividieren lassen, steht der interreligiöse Dialog auf wackeligen Füßen.“

"Genau hingucken und unterscheiden"

Pfarrer Helmut Hitzbleck, Superintendent des Ev. Kirchenkreises, glaubt, dass die täglich ins Wohnzimmer flimmernden Nachrichten, etwa über den IS-Terror, sich „wie eine dunkle Wolke niederschlagen“. Menschen, die davon beeindruckt seien, könne man dies nicht zum Vorwurf machen. „Allerdings kann es unmöglich so sein, dass jeder erst einmal öffentlich bekennen muss, was er nicht ist“, betont Helmut Hitzbleck und verweist nicht nur auf Religionsfreiheit, sondern auch auf die Unschuldsvermutung. Letztlich zeige die Unsicherheit, „dass wir noch zu wenig über Menschen muslimischen Glaubens wissen. Es fehlt noch Transparenz.“

Nicht nur ein „Nebeneinander, sondern ein friedliches Miteinander der Religionen“ erlebt Stadtdechant Michael Janßen in der Stadt. Die „Angst der Menschen aufgrund des himmelschreienden Terrors“ sei zwar nicht unbegründet, doch hat Michael Janßen die „Sorge, dass pauschalisiert wird und unberechtigte Vorurteile aufkommen“. Auch er sieht die Lösung in einem noch stärkeren Miteinander sowie in Aufklärung. „Es ist wichtig, dass wir genau hingucken und unterscheiden, damit nicht einige wenige das Bild einer ganzen Religionsgemeinschaft prägen.“

Muslimische Gemeinde setzt auf offene Türen 

Ein gutes, interreligiöses Miteinander sieht Birol Yigit in Mülheim nicht nur durch das Bündnis der Religionen. Dem Geschäftsführer der Fatih-Moschee an der Sandstraße ist das ganz wichtig: Anti-muslimische Ressentiments seien ihm noch nicht begegnet. Allerdings, setze seine Gemeinde, die zum Dachverband Ditib gehört, auf offene Türen und auf eben die so oft eingeforderte Transparenz. „Wir laden jedes Jahr zum Tag der offenen Moschee ein“, sagt der Geschäftsführer.

Darüber hinaus böte man immer wieder Führungen durch die Gebetsräume an, bei Festen seien stets Nachbarn und Gäste willkommen. „Wir planen immer wieder soziale Veranstaltungen. Das Deutsche Rote Kreuz war beispielsweise schon zu Blutspendekationen bei uns“, sagt Birol Yigit. Diese Offenheit ist für ihn der beste Weg, um Vorurteile abzubauen. So könnten die Menschen die Ähnlichkeiten mit eigenen Augen sehen: „Bei uns im Jugendraum stehen auch Kicker, Billardtisch und Playstation.“

Bündnis sieht Diskussionsbedarf

Der gescheiterte Kirchverkauf auf der Heimaterde ist auch für das „Bündnis der Religionen/Glaubensgemeinschaften für Frieden“ ein Thema. „Das wird bei unserem nächsten Treffen zu diskutieren sein“, sagt Markus Emanuel Zaja, ein Sprecher des Bündnisses. Neben der Kath. Kirche, deren Vertreter Zaja ist, gehören dem 2007 gegründeten Zusammenschluss Vertreter des Alevitischen Kulturzentrums, der Bahai-Gemeinde, des Evangelischen Kirchenkreises, der Evangelisch-methodistischen Kirche, der Islamischen und der Jüdischen Gemeinde an. Zudem sei man mit der hinduistischen Gemeinschaft im Gespräch.

Das Bündnis sei Ausdruck der interreligiösen Kooperation in der Stadt. Jedoch blickt dessen Sprecher mit Sorge auf gesellschaftliche Entwicklungen und auf den vergangenen Sommer mit anti-jüdischen und anti-muslimischen Kundgebungen. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir so etwas noch einmal in Deutschland hören müssen.“ Er persönlich erkennt im Land eine Tendenz zu „Kräften und Meinungen, die ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Lebensweisen erschweren“. Auch er setzt deshalb weiter auf den Dialog: „Erst wenn man nicht mehr miteinander spricht, hat man ein Problem.“ Allerdings räumt er auch ein: „Es gibt eine Stimmung, dass die Leute gar nicht mehr miteinander reden wollen.“