Mülheim. . Im Schnitt behandelt jeder Hausarzt in Mülheim im Jahr 4788 „Fälle“ und damit 47 Prozent mehr als anderswo in Nordrhein. Ärztekammer stellt nun Antrag auf Sonderbedarf: Es fehlen in der Stadt Hausärzte, beklagt die Ärztekammer Mülheim. Die Stadt gehört zu den am schlechtesten versorgten Gebieten.

Werden die Mülheimer künftig ihren Hausarzt mit noch mehr Patienten teilen müssen? Länger auf Termine warten müssen? Der Vorsitzende der Ärztekammer Mülheim, Uwe Brock, hat jetzt beim Zulassungsausschuss für Kassenärzte „Sonderbedarf beantragt“. „Es fehlen in der Stadt Hausärzte“, beklagt er und verweist auf jüngste Fallzahlen, danach behandeln die Mülheimer schon jetzt übers Jahr gesehen 47 Prozent mehr „Fälle“ als ihre Kollegen im Schnitt von ganz Nordrhein.

Konkret: Betrug die Anzahl der Behandlungsfälle im letzten Jahr pro Hausarzt in Nordrhein 3257 waren es in Mülheim 4788. Kaum noch leistbar, sagt Brock und betont: „Schon jetzt gibt es Kollegen, die aus Sicherheitsgründen keine weiteren Patienten mehr aufnehmen.“ Die Stadt gehöre neben Duisburg und Oberhausen zu den am schlechtesten versorgten Gebieten, was Hausärzte anbelange.

Historische Gründe

94,5 Hausarztsitze gibt es. Damit gilt Mülheim jedoch als „überversorgt“. Nach der Bedarfsplanung stellt das Ruhrgebiet als „Sonderregion“ dar, wo auf 2134 Bürger ein Hausarzt kommen soll, anderswo sind es nur 1668 Bürger. Das habe historische Gründe, die fern der Realität lägen“, klagt Brock und verweist darauf, dass gerade die Bevölkerung im Ruhrgebiet auch kränker sei als in anderen Regionen. Nach der Bedarfsplanung stehen Mülheim derzeit nur 78,2 Hausarztsitze zu, toleriert würden 86 Prozent.

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Die kommunale Gesundheitskonferenz hat sich des Themas angenommen und wird im November weiter darüber diskutieren. Zwei Fragen hält Gesundheitsdezernent Ulrich Ernst für entscheidend: Kann man das Ruhrgebiet noch als Sondergebiet behandeln, in dem Patienten angeblich städteüberschreitend unterwegs sind? Und: Wie kann es innerhalb der Stadt zu einer besseren wohnortnahen Verteilung von Hausärzten kommen?

Verantwortlichkeiten hin und her geschoben

Allein die Verantwortlichkeiten, so Brock, würden leider auch zwischen Bund und Land hin und her geschoben. Mit dem neuen „Versorgungsstärkungsgesetz“, das in Berlin jetzt als Referentenentwurf vorliegt, könnte sich die Lage in Mülheim sogar noch weiter verschärfen: Würde dies umgesetzt, müsste der Zulassungsausschuss jede Hausarztpraxis über dem Soll vom Markt nehmen. Hieße: 6,5 Hausarztsitze weniger in der Stadt. Für die bleibenden Ärzte würde damit die Fallzahl – wobei viele Patienten mehrfach im Quartal den Arzt aufsuchen – auf bis zu 5000 in Jahr klettern. Was, so der Internist Brock, soll das noch für eine Medizin sein? „80 Prozent der hausärztlichen Leistung bestehe aus zuhören, fragen, untersuchen – das braucht Zeit.“

Zwei weitere Mediziner, so ist von der Kammer zu hören, würden sich gerne als Hausärzte in Mülheim niederlassen. Bisher dürfen sie dies nicht. Der Antrag auf Sonderbedarf soll daran etwas ändern.