Mülheim. . Sparkassen-Akademie statt VHS: Die Mülheimer Bürgerinitiativen wenden sich mit einem offenem Brief an Aufsichtsbehörden und Entscheider. Stadt und Investoren beziehen Stellung und weisen alle Vorwürfe zurück. Die MBI-Kritik an VHS-Bewerbung im Kreuzfeuer...
Per offenem Brief an die Entscheidungsträger der Sparkassen-Akademie NRW, die Finanzaufsicht der Bezirksregierung Düsseldorf, den Landesrechnungshof und den Bund der Steuerzahler torpedieren die Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) die Bewerbung um die Ansiedlung der Akademie auf dem heutigen VHS-Areal in der Müga.
Mit den Vorwürfen der Ratsfraktion hat die WAZ Mülheims Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier, Stadtsprecher Volker Wiebels sowie Frank Esser (MWB) und Theo Höckesfeld (Imoba) als Vertreter der angetretenen Investoren konfrontiert. Sie werfen der MBI Falschaussagen, Populismus, gar Geschäftsschädigung vor.
Die MBI sagen: Mit dem Abriss des VHS-Gebäudes verliert die Stadt ihren zentralen Standort der VHS. Dagegen steht die klare Aussage von Bildungsdezernent Ulrich Ernst aus der Ratssitzung am 25. September, Kernaussage: Eine VHS an einem zentralen Ort soll es weiter geben, lediglich ergänzend dazu Angebote in den Stadtteilen, insbesondere für benachteiligte und weniger bildungsaffine Bürger.
Die MBI sagen: Die Kosten für die Anmietung eines neuen zentralen Standortes würden „jenseits aller vernünftigen Grenzen“ liegen. Theo Höckesfeld (Imoba) erwidert: Lege man bei einfacher Betrachtung 7000 m2 Nutzfläche und 7 Euro/m2 Miete zugrunde, könne die Stadt allein mit den kalkulierten 16 Mio. Euro, die eine grundlegende Sanierung der VHS kosten soll, 26 Jahre die benötigten Räumlichkeiten mieten (gar noch ohne Berücksichtigung von Kapitalisierungskosten für eine kreditfinanzierte VHS-Sanierung). Selbst bei 8 Euro Miete/m2 wären es mindestens 20 Jahre – wobei von einem Vermieter auch Instandsetzungen eingefordert werden könnten.
Entscheidung fällt spätestens am Jahresende
Mülheim ist nach stichhaltigen WAZ-Informationen noch mit zwei Standorten im Rennen um die Ansiedlung der Sparkassen-Akademie: mit dem Kaufhof und mit dem VHS-Areal.
Wie in unserer Mittwochsausgabe berichtet, sind außerdem Bewerbungen aus Dortmund (ebenfalls zwei), Bochum und Essen in der Endauswahl.
Die MBI sagen: Der Verkaufspreis für das Grundstück deckt gerade mal die Kosten für den Abriss und die Baureifmachung des Grundstücks. Der Vorwurf dahinter: Die überschuldete Stadt gibt das Grundstück unter Wert her. Stadt und Investoren weisen das entschieden zurück. Laut Höckesfeld sind die von der Stadt zu tragenden Abrisskosten per Gutachter auf 900 000 Euro geschätzt worden. „Der Verkaufspreis liegt mehr als doppelt so hoch.“ Der WAZ liegt die nichtöffentliche Ratsvorlage dazu vor: Dort ist von rund 1,95 Mio. Euro die Rede.
Die MBI sagen: Für den Bau der Sparkassen-Akademie werden Teilflächen vom öffentlichen Müga-Grün abgezweigt, das könne die Rückforderung von Müga-Fördermitteln provozieren. Die Investoren streiten das ab. Man habe das Projekt einer Ökobilanz unterzogen. Ein Ergebnis sei: Statt aktuell 2620 m2 bebauter Fläche komme man mit den drei Akademie-Bauten nur auf 1700 m2. Nichts werde von der Müga abgezweigt. In nichtöffentlichen Ratsvorlagen ist allerdings von 650 m2 Erweiterungsfläche in nordwestlicher Lage die Rede. Die MBI vermuten hier das Ende für den Matschspielplatz der Müga. Höckesfeld sagt: Das wird es nicht geben.
Die MBI sagen: Das VHS-Gebäude sei mit großer Wahrscheinlichkeit denkmalschutzwürdig. Ein Abriss würde einer Prüfung zuvorkommen. Die Investoren halten die Kritik für unberechtigt. „Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ist es kein denkmalwürdiges Gebäude“, so Höckesfeld. Den Architekturstil der VHS finde man etwa bei vielen Schulen der 1970er-Jahre vor. MWB-Vorstand Frank Esser ergänzt: „Nach meinen Informationen sieht die Obere Denkmalschutzbehörde keine Veranlassung, das Gebäude unter Schutz zu stellen.“ Ein Termin zur Denkmal-Frage mit den Fraktionen habe die OB für Mittwoch abgesagt, weil es keine Veranlassung mehr dafür gegeben habe, so Stadtsprecher Wiebels, ohne Details zu nennen.
Ein Theater wie in keiner anderen Bewerberstadt
Wenn man es sarkastisch ausdrücken wollte: Mülheim beweist im aktuellen Wettbewerbsverfahren zur vielerorts begehrten Ansiedlung der Sparkassen-Akademie wieder einmal, wie einzigartig es ist. Leider nur: einzigartig grausam mit sich selbst.
Die MBI setzen ihrem mitunter blindwütigen Aktionismus, hinter allem und jedem Projekt bösartige Absichten zu entdecken, aktuell mit ihrem offenen Brief zur städtischen Akademie-Bewerbung die Krone auf. Sie schädigen dem Ansehen der Stadt. Investoren, die es zweifelsfrei noch für viele Projekte gerade in der Innenstadt nach Mülheim zu locken gilt, müssen sich angesichts der ständigen Nörgelei vorkommen wie unerwünschte Störenfriede. Das kann und darf sich Mülheim nicht erlauben.
Eine moderne VHS an zentraler Örtlichkeit
Natürlich: Die Akademie-Bewerbung für den VHS-Standort wurde im Hauruck-Verfahren initiiert und – mit deutlicher politischer Mehrheit (!) – durchgedrückt. Es hat sich gerächt, dass Mülheim die seit Jahren drängende VHS-Frage zu lange in der Schublade gelassen hat. Aber jetzt besteht die einmalige Chance, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: eine moderne VHS an zentraler Örtlichkeit aufzubauen, um deren Konzept freilich noch zu ringen sein wird, und eine Vorzeige-Einrichtung an die Stadt zu binden.
Die MBI gehen in ihrem offenen Brief gar so weit, die Anbindung Mülheims an den öffentlichen Fernverkehr als Ausschlusskriterium zu brandmarken. Das trifft dann auch die Bewerbung am Kaufhof-Standort. Was, diese Frage muss gestellt werden, wollen die MBI damit bezwecken? Zweifelsohne sollen sie kritische Fragen stellen, aber Aufklärung bei den Investoren sollen sie in der VHS-Frage nicht abgefragt haben. Das wäre guter Stil. Die MBI setzen hingegen munter auch auf die Verbreitung von Un- oder Halbwahrheiten. Das ist schäbig – und schadet der Stadt.