Mülheim/Essen. Die Polizei hat einen 21-jährigen Mülheimer verhaftet, der in Syrien Kontakt zu den IS-Milizen gehabt haben soll. Der junge Mann aus Dümpten war bereits im März an seinem Berufskolleg in Saarn aufgefallen. Er kam mit dem Gebetsteppich zum Unterricht und soll Schüler bedrängt haben.
Die Staatsschutzabteilung der Essener Polizei hat am Mittwochnachmittag einen 21-jährigen Mann aus Mülheim festgenommen. Das teilten Polizei und die Staatsanwaltschaft Düsseldorf nun mit. Der Mülheimer steht im Verdacht, „staatsgefährdende Straftaten begangen zu haben“, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Der junge Mann, Nezet S., ist kein Unbekannter: Im März war er mit einem Gebetsteppich zum Unterricht an seinem Berufskolleg erschienen. Er soll zudem Schüler und Lehrer bedrängt haben, den Koran zu lesen. Die zuständigen Behörden hatten den Schüler daraufhin vom Unterricht suspendiert. Doch die Schlagzeilen, die Nezet S. zu Jahresbeginn mit seinem Schulverweis vom Saarner Berufskolleg an der Lehnerstraße gemacht hatte, sind angesichts der neuesten Verdächtigungen doch relativ harmlos: Im März wegen ausufernder Religionsausübung der Schule verwiesen, wird gegen den 21-jährigen Dümptener nun wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ermittelt.
Salafistische Propaganda im Internet
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Damals surfte er während des Unterrichts im Internet auf Seiten mit salafistischer Propaganda, drängte Mitschüler zum Koran, erschien barfuß und mit dem Gebetsteppich unterm Arm zum Sportunterricht und rief letztlich nach einer zwischenzeitlichen Suspendierung von der Schule zum öffentliche Protestgebet an der Lehnerstraße auf: Seinerzeit Grund genug, Nezet S. wegen exzessiver Religionsausübung während der Unterrichtszeiten von der Schule zu verweisen.
An der Lehnerstraße hatte der in Deutschland geborene junge Mann mit albanischen Eltern den letzten Versuch unternommen, seine Schullaufbahn zu einem guten Ende zu führen. An allen drei Zweigen der Mülheimer Berufskollegs hat sich Nezet S. nach WAZ-Informationen versucht, überall ist er gescheitert. „Er war ein Junge, der nichts zustandegebracht hat“, erinnert sich einer, der während der Schulzeit mit dem Dümptener zu tun hatte. Zur Fachoberschulreife im kaufmännischen Ausbildungsgang brachte Nezet S. es auch nicht.
Facebook-Aktivität war Anlass zur Hausdurchsuchung
Nach der Rückkehr von einer mehrwöchigen Syrien-Reise, bei der Nezet S. Kontakt zur Terrormiliz IS hatte, ist er verstärkt ins Visier der Ermittler geraten.
Wie ein Polizeisprecher erklärte, hatte Nezet S. auf seiner Seite im sozialen Netzwerk Facebook Videos hochgeladen, die zum Heiligen Krieg aufrufen und in seinem Profil eine IS-Flagge „gehisst“.
Er schien schon kurz nach seinem Start in Saarn anderes im Kopf zu haben. „Er hat früh angefangen, in der Klasse zu agitieren, um Mitstreiter zu finden. Er hatte ein sehr starkes Sendungsbewusstsein“, heißt es. Nezet S. habe für sich gar keine bürgerlichen Ziele (Beruf, Familie, gesellschaftliche Integration) verfolgt, „er wollte nur noch für den Islam und seine Botschaft leben.“
Mit seinen Eltern lag Nezet S. über Kreuz
Mit seinen Eltern soll Nezet S. über Kreuz gelegen haben. Er habe aus seiner Überzeugung heraus nicht akzeptieren wollen, dass sie nicht regelmäßig beteten und auch mal Alkohol tranken. Die Eltern, so ist aus dem Schulumfeld zu hören, seien „kreuzunglücklich über die Entwicklung ihres Sohnes“ gewesen. Sie seien aber wie die Verbindungslehrer der Schule und später der Staatsschutz mit Hilfsangeboten bei dem Jungen abgeprallt.
Während seiner Zeit am Berufskolleg soll Nezet S. in seiner Erscheinung noch „ganz unauffällig“ gewesen sein, in Gesprächen „immer sehr freundlich, gar liebenswürdig“. Nach dem Schulverweis gelangten mitunter aktuelle Fotos von ihm zur Schule, offenbar hatte er sie dort einigen wenigen Kontaktpersonen gesendet. Die Bilder zeigten den muskulösen Mann mit Bart und in islamischem Gewand.
An der Schule hält sich die Überraschung über Nezets Festnahme in Grenzen: „Eigentlich hatten wir so was schon erwartet.“
Längerer Aufenthalt in Syrien
Ende August kehrte der Verdächtige nach einem längerem Aufenthalt in Syrien nach Mülheim zurück. Seitdem wurde er mit richterlichem Beschluss durch die Sicherheitsbehörden beobachtet. Der Verdächtige habe dann „auffällige Verhaltensweisen“ gezeigt, heißt es weiter. Das Amtsgericht Düsseldorf ordnete daraufhin die Durchsuchung seiner Wohnung an.
Beamte nahmen den 21-Jährigen vorübergehend fest. Nach eigenen Aussagen hat er sich in Syrien bei den Truppen des IS aufgehalten. „Eine erste Durchsicht der sichergestellten Dateien erhärtete den Verdacht von tatbestandlichen Handlungen nach § 89a StGB“, so die Polizei, Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.
Nähere Angaben kann die Polizei derzeit nicht machen – mit Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen.
NRW-Innenminister Jäger kritisiert Türkei für durchlässige Grenze
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat die Rolle der Türkei bei der Bekämpfung der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) kritisiert. "Welche Rolle spielt eigentlich die Türkei, dass sie es zulässt, Drehscheibe für die Ausreise zum Islamischen Staat zu werden", sagte Jäger am Freitag in Düsseldorf.
Die Türkei gewähre "faktisch ungehinderten Durchlass" nach Syrien. "Da liegt der eigentliche Schlüssel. Da müssen wir außenpolitisch härter und anders agieren", sagte Jäger auf die Frage nach den geplanten Vermerken von Ausreisesperren in den Personalausweisen .(mit dpa)