Mülheim. Nagelmodellage ist gefragt, auch in Mülheim eröffnen immer neue Studio. Doch die Anbieter müssen keine besondere Qualifikation nachweisen. Erfahrene Profis und Kosmetik-Fachleute sehen das kritisch.
Fantasievoll fabrizierte Fingernägel liegen im Trend. Wo es früher genügte, alle zehn sauber zu halten und zu schneiden, wo roter Lack schon mondän wirkte, bieten jetzt auch in Mülheim immer mehr Nail-Designerinnen ein vielfältiges Programm: aufwändige Modellage mit Acryl oder Gel, Verzierung mit Airbrush oder Strasssteinchen. Und ähnlich wie bei Friseurgeschäften setzen sich manche Studios mit Kampfpreisen in Szene.
Die Konkurrenz kontert mit Verweis auf höhere Qualität: „Ich kann keine Modellage für 25 Euro anbieten, denn ich arbeite mit hochwertigem Material“, erklärt beispielsweise Sandra Kirschnick, gelernte Friseurin, die seit acht Jahren ein Nagelstudio an der Kirchstraße betreibt. Und einige ihrer Kundinnen hätten mit „Fließbandarbeit“ an den Fingern schlechte Erfahrungen gemacht.
Keine Qualifikation nötig
Nahezu jeder kann ein Nagelstudio als Gewerbe anmelden. „Das bereitet uns von den Fachverbänden manchmal Bauchschmerzen“, meint Eva Melchers, die seit 35 Jahren in Mülheim ein Schulungscenter für Kosmetik führt, zudem als vereidigte Sachverständige für das Kosmetikgewerbe tätig ist. „Mit Nagelmodellage kann man sich selbstständig machen, ohne irgendeine Qualifikation vorweisen zu müssen“, so die Expertin. „Aber wenn sie nicht fachgerecht ausgeführt wird, treten oft Pilzerkrankungen auf.“
Auch Anja Best, Inhaberin eines etablierten Nagelstudios in Broich, meint: „Wichtig wäre, dass es eine verpflichtende, anständige Ausbildung gibt.“ Sie selber wirbt mit einer Reihe absolvierter Schulungen (von der Grundausbildung bis zur „3D Acrylic Flowers Technik“), im Geschäft hängen etliche Zertifikate. „Um regelmäßige Fortbildungen muss man sich selber kümmern“, sagt die gelernte Arzthelferin, die 2005 ihren Job kündigte und ihr Studio eröffnete: „Damals erklärten mich alle für verrückt.“
Lebensmittelüberwachung durch das Veterinäramt
Inzwischen arbeitet sie hier gemeinsam mit einer Kollegin und hat nach eigener Aussage seit Jahren gleichmäßig viel zu tun. Die älteste Kundin sei schon 87, „da machen wir die Modellage natürlich altersentsprechend dezent“.
Pflegemittel in Nagelstudios unterliegen der Lebensmittelüberwachung durch das Veterinäramt. Anja Best erinnert sich jedoch nur an einen Kontrollbesuch, vor Jahren, bei dem Lacke mitgenommen worden seien, die sie zum Verkauf anbietet. Sie findet: „Wichtiger wäre, das Material zu kontrollieren, mit dem offen gearbeitet wird.“ Für Kundinnen sei es nicht einfach, die Qualität eines Ladens zu beurteilen. Sie rät, einen Probenagel anfertigen zu lassen, „der sollte in guten Studios kostenlos sein“.
Vor einer pauschalen Abwertung günstiger Anbieter hütet sich die erfahrene Kosmetik-Expertin Eva Melchers: „Der Preis der Dienstleistung hat nicht unbedingt mit der Qualität der Modellage zu tun.“ So einfach ist es auch hier nicht.
Viel Schwarzarbeit in der Branche
Wer Nageldesign gegen Geld anbietet, ob haupt- oder nebenberuflich, im eigenen Laden oder zu Hause, muss dies als Gewerbe anmelden. Laut der zuständigen Abteilung im hiesigen Ordnungsamt bestehen derzeit 28 Nagelstudios in Mülheim, sechs sind 2014 neu hinzu gekommen.
An- und Abmeldungen werden automatisch an die IHK weitergeleitet, wo jedoch aktuell völlig andere Zahlen vorliegen: Nach Angaben der Abteilung Handel/Dienstleistungen sind in Mülheim derzeit 44 Nagelstudios registriert, allein 2014 wurden sieben eröffnet. Warum sich die Daten so stark unterscheiden, konnte zunächst keine der beiden Stellen erklären. Möglicherweise werden nicht alle Home-Studios oder auch Abmeldungen immer sogleich erfasst.
Generell ist die Branche schwer fassbar, da auch professionelle Kosmetikerinnen, die wiederum der Handwerkskammer zugehören, Nageldesign anbieten. „Alles, was mit Schönheitspflege und Wellness zusammenhängt, ist ein immenser Markt“, sagt Eva Melchers, vereidigte Sachverständige für das Kosmetikgewerbe, „da versucht jeder, mit aufs Trittbrett zu springen. Zu unserem Leidwesen gibt es hier auch viel Schwarzarbeit.“