Mülheim. . Live-Übertragungen von großen Musikaufführungen gehören mittlerweile zum Angebot in vielen Kinos der Region. Eine tolle Sache, finden auch die Klassikfans Annelie und Paul Hohl aus Saarn, die von ihrer Musikleidenschaft berichten.

Nun ja, die Tannhäuser-Inszenierung von den Bayreuther Festspielen, die sie vergangene Woche gesehen haben, war nicht ganz nach ihrem Gusto. „Das spielt ja in einer Biogas-Anlage“, empört sich Annelie Hohl noch heute und muss lachen, wenn sie an die Auslegung der Wagner-Oper denkt. „Gesanglich war das sehr schön, die Mimik war fantastisch – aber manchmal hab ich die Augen zugemacht, weil ich die Inszenierung so schrecklich fand“, sagt die 72-Jährige.

Gesehen hat sie die aktuelle Aufführung von Wagners Werk nicht etwa auf Bayreuths grünem Hügel, sondern in der Essener Lichtburg – bequem in einem der roten Kinosessel. Oper, klassische Musik generell, ist die absolute Leidenschaft von Annelie Hohl und ihrem Mann Paul.

Sicher, sie sind schon oft im Aalto-Theater gewesen, haben Opern-Aufführungen im Duisburger Theater gesehen, waren sogar schon mehrfach zu Gast in der New Yorker Metropolitan Opera, von der die beiden Saarner regelrecht ins Schwärmen geraten. Seit einigen Jahren aber nutzen sie zusätzlich auch gerne eine andere Möglichkeit: Opernübertragungen im Kino.

Die Atmosphäre komme dabei einer Aufführung in einem Opernhaus schon recht nahe, sind die Hohls sich einig. Wer es festlich mag, ziehe sich auch so an, ihnen hingegen gefalle es, dass es bei den Übertragungen im Kino lockerer zugehe. „Das ist trotzdem fast wie ein Live-Erlebnis“, sagt Annelie Hohl und beschreibt den Mehrwert: „Durch die Kameraführung ist man näher dran, sieht die Schauspieler viel besser, außerdem werden in der Pause oft Interviews mit den Darstellern gezeigt.“ Es werde auch mitgeklatscht, man habe ja das Bedürfnis, etwas zurückzugeben für einen überwältigenden Abend.

Mitreißende Melodien – auch daheim im Sessel

Natürlich haben die beiden Musik-Liebhaber auch schon Live-Übertragungen aus „ihrer“ Met im Mülheimer Cinemaxx gesehen. „Dort gibt es ja den First Class-Saal mit Ledersitzen, Glastischen und Bedienung – das hat schon was“, findet Annelie Hohl. Außerdem, fügt ihr Mann hinzu, sei die Akustik im Kinos ausgezeichnet. Der Mann muss es wissen, hat er doch zuhause selbst eine erstklassige Anlage stehen. Gerne genießt er die mitreißenden Melodien auch dort, rückt seinen Sessel genau in die Mitte der beiden hohen Lautsprecher und drückt auf die Play-Taste. „Wenn Musik einen tief im Innern berührt, dann ist sie gut gemacht. Es ist immer wieder ein besonderes Erlebnis für mich zu erfahren, wie das Wort in Musik umgesetzt wird“, sagt der ehemalige Friseurmeister, der zuhause auch das Textbuch zur Hand nimmt und mitliest.

„Ein Leben ohne Musik ist für mich nicht denkbar“, macht der 84-Jährige deutlich und erzählt eine Anekdote aus seiner Jugend, etwa 1950 war das: „Da war ich mit einigen Kollegen zu einem Lehrgang in Hamburg – sie gingen auf die Reeperbahn, ich ging in die Oper.“

Heute ist er froh, dass seine Frau die Liebe zur Musik mit ihm teilt. Manchmal, verrät sie, halte ihr Mann eine Schallplatte hoch und sage: „Davon hab ich doch eine gute Aufnahme.“ Aber sie, betont Annelie Hohl, bestehe auf dem Opern-/Kinobesuch: „Denn: Live ist live.“

Auch im Mülheimer Cinemaxx kommt das Angebot gut an

Sehr gut angenommen werde das Angebot der Live-Übertragungen von Opern-Aufführungen auch im Cinemaxx am Rhein-Ruhr-Zentrum, wie der neue Theaterleiter Ulrich Staats berichtet: „Es hängt zwar davon ab, welche Oper übertragen wird, aber im Vergleich zum Cinemaxx in Essen, wo ich bis vor Kurzem tätig war, kann ich sagen, dass das Angebot hier in Mülheim noch erfolgreicher ist.“ Die Tendenz sei in der Ruhrstadt steigend, man plane, weitere Kapazitäten hinzuzunehmen, so Staats.

Durchschnittlich liege die Auslastung bei 80 Prozent, führt er aus und fügt augenzwinkernd hinzu: „Das ist toll! Hätten wir in jedem Film eine solche Auslastung, könnten wir schon goldene Sessel aufstellen.“ Das Publikum, das ins Kino komme, wenn Aufführungen von Bizets Carmen oder Wagners Meistersänger gezeigt werden, nennt Staats schon das „klassische Opernpublikum“.

Er habe aber auch schon jüngere Leute beobachtet, die es sich mit Popcorn und Nachos im Kinosessel bequem gemacht haben, um Verdi und Co. zu hören. Das sei seiner Ansicht nach auch völlig in Ordnung, sagt Staats und begründet: „Wir sind und bleiben ein Kino und können nicht dasselbe bieten wie ein Opernhaus. Dafür können wir anderes bieten – etwa in unserem First-Class-Saal ein Glas Wein während des Besuchs, das gibt es meines Wissens in der Oper nicht.“

Dass sich das Kino mit der Übertragung von Opern – und auch von Rockkonzerten oder Fußballspielen – ein zweites Standbein aufgebaut habe, sieht der neue Theaterleiter des Cinemaxx Mülheim als logische Entwicklung der letzten Jahre. „Das war es, was die Kinos immer wollten: eine zweite Sparte entwickeln und eben nicht mehr nur Hollywood-Blockbuster zeigen“, erläutert Ulrich Staats.