Mülheim. . Nachdem die historische Chance greifbar scheint, den schrottverarbeitenden Betrieb Jost von der Weseler Straße direkt zum Mülheimer Hafen zu verlagern, machen die Mülheimer Bürgerinitiativen Druck: Chancen für die Stadtteilentwicklung sollten jetzt öffentlich diskutiert werden.

Nach der Verkündung der ungeahnten Möglichkeit, die wegen ihrer Schwermetall- und Lärmimmissionen im Fokus der Anwohnerkritik stehende Schrottverarbeitung der Firma Jost von der Weseler Straße direkt zum Hafen zu verlegen zu können, machen die Mülheimer Bürgerinitiativen politischen Druck: Sie sehen durch die Betriebsverlagerung die Chance, Fehlentwicklungen im Stadtteil zumindest in Teilen zu reparieren. Die MBI fordern eine sofort startende und transparente Debatte darüber, während andere Ratsfraktionen noch die Füße stillhalten und von Verantwortungsträgern der Stadt mahnende Worte zu vernehmen sind – nach dem Motto: Jetzt bloß „keine Störfeuer legen“.

MBI-Fraktionssprecher Lothar Reinhard ist bekannt dafür, dass er ganz entschiedene Meinungen zur Entwicklung in Mülheims westlichstem Stadtteil hat. Stadtplanung hier sei in den vergangenen Jahren völlig vermurkst worden, ist seine Meinung. Zu nah habe man das Gewerbe an den Siedlungskern heranrücken lassen, anstatt mit neuer Wohnbebauung zwischen Weseler und Duisburger Straße eine Basis zu legen, den Speldorfer Ortskern auf wirtschaftlich gesunde Füße zu stellen. Eine uralte Forderung in Speldorf, den Verkehr auf der Duisburger zu beruhigen: auch nie umgesetzt. Dazu die krasse Fehlentwicklung, mit großflächigem Einzelhandel an der Weseler Straße der Duisburger Straße zusehends das Wasser abgegraben zu haben.

MBI wollen Teile von Jost-Grundstück für Straßenbau

Reinhard will jetzt, da die Verlagerung des Jost-Betriebs in greifbarer Nähe ist, neue Chancen für Speldorf debattiert sehen. Es dürfe nicht sein, dass die Wirtschaftsförderung ohne politische Debatte Fakten schaffe in der Nachnutzung des Jost-Areals, so der MBI-Mann. Ihm schwebt vor, ein Teil des Jost-Grundstücks nutzbar zu machen für eine direkte Durchbindung von der Heer- zur Weseler Straße. So, sagt Reinhard, könnte unnötiger Verkehr von der Duisburger, aber auch von der Hansastraße genommen werden, wo ja nun neben dem Seniorenwohnen auch eine Kita eröffnet habe.

Reinhard sieht zwei Möglichkeiten zur Durchbindung. Von der Kurve der Emmericher Straße schnurstracks zwischen den Grundstücken von Schauenburg und Jost durch, wo heute ein Fußweg besteht. Oder aber die alte Idee umsetzen, die südlich des Jost-Geländes ein neues Straßenstück mit Wohnbebauung auf Hinterland-Grundstücken der Hofackerstraße vorsah.

Planungsamt mahnt zur Vorsicht

Zur Vorsicht mahnt in dieser Angelegenheit Mülheims Planungsamtschef Jürgen Liebich. Er erinnert daran, dass für die angrenzende Emmericher Straße immer noch eine Zweckbindung für seinerzeit geflossene Fördermittel bestehe. Nehme man der Emmericher durch neue Straßenbauprojekte einen Teil ihres Verkehrswertes, müsse die Stadt mit Rückzahlungsforderungen rechnen. Liebich hält einzig für denkbar, sich möglicherweise MBI-Option 1 (siehe oben) für die fernere Zukunft offenzuhalten. „Das müsste man sich noch mal genau anschauen“, so Liebich.

Nicht beabsichtigt ist vom Planungsamt im Übrigen, das alte, in den 90er-Jahren gestoppte Bauleitplanverfahren für das Jost-Areal samt Umfeld alsbald wieder in Gang zu setzen, um eine industrielle oder Fachhandels-Nutzung auf dem Jost-Gelände ein für alle Mal auszuschließen. Während der laufenden Gespräche mit Jost zur Betriebsverlagerung an die Timmerhellstraße will die Stadt offensichtlich nicht die Keule auspacken. Die ersehnte Lösung soll nicht gefährdet werden. Möglich wäre auch, Nutzungsbeschränkungen für das Areal im Grundbuch zu verankern.

„Operation Umzug“ soll im Stillen organisiert werden

Die Verhandlungen zwischen Stadt und Jost-Gruppe zur Verlagerung des schrottverarbeitenden Betriebes von der Weseler Straße zum mittlerweile geräumten TSR-Gelände an der Timmerhellstraße laufen unter dem Primat der strengen Geheimhaltung. Insidern zufolge ist die Angelegenheit zu sensibel, als dass man mit Zwischenstandsmeldungen den Erfolg der „Operation Umzug“ gefährden will.

Entsprechend zugeknöpft geben sich der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung, Jürgen Schnitzmeier, und der Chef der Hafenbetriebe, Joachim Exner. Das Duo hat die Federführung bei den Verhandlungen mit Jost. Exner hält das 71 000 m2 große, Jost angebotene Industrieareal am Hafen in seinem Besitz, Schnitzmeier will Jost aus dem Bestand expansionswilliger Mülheimer Firmen einen Pächter oder Käufer für das Grundstück an der Weseler Straße vermitteln. Beide lassen sich nicht in die Verhandlungskarten schauen. „Es ist eine sehr komplexe Verlagerung“, sagt Schnitzmeier nur. Eine Rolle spielen sicher die Betriebsgenehmigungen am neuen Standort für Jost. Sicher ist an beiden Standorten die Altlastenproblematik zu klären. Exner spricht auch davon, dass sich der Jost-Betrieb sicher nicht innerhalb nur weniger Wochen verlagern lasse, auch wenn ein Umzug noch in diesem Jahr von der Stadtkanzlei in Aussicht gestellt war. Es stehe „eine intensive Investitionstätigkeit“ seitens Jost an.

Angestrebt wird dem Vernehmen nach ein langfristiger Pachtvertrag mit Jost für die Fläche an der Timmerhellstraße. Exner drückt in knappen Worten Zuversicht aus, wird er auf den Verhandlungsstand angesprochen: „Alles ist gut. Alles läuft normal.“

IG Speldorf und Bürgerverein haben Duisburger Straße im Fokus 

Die Interessengemeinschaft Speldorf und der örtliche Bürger- und Kurverein begrüßen die beabsichtigte Jost-Verlagerung zum Hafen, ihr Fokus in Sachen Stadtteilentwicklung richtet sich aber hauptsächlich auf das Sorgenkind Duisburger Straße.

ISG-Geschäftsführer Dietmar Zell und Bürgervereinsvorsitzende Ute Möhlig hoffen insbesondere auf eine Reaktivierung des Depots. Wie berichtet, will der Projektentwickler Ten Brinke hier für Rewe investieren, doch hakt es bei der Umsetzung – auch weil Ten Brinke die Stadt dazu nötigen will, gleichzeitig auch eine Rewe-Ansiedlung in der Peripherie der Düsseldorfer Straße in Saarn zu genehmigen.

Zell: Duisburger Straße beruhigen

Zell stellt die alte Speldorfer Forderung: Die Duisburger Straße sei endlich entschieden zu beruhigen. „Das haben wir mit Frau Mühlenfeld noch mal im Rahmen der Stadtteilgespräche angesprochen, aber in dieser Sache scheint sich niemand den Hut aufsetzen zu wollen.“ Das Queren der Straße sei in den weiten Bereichen zwischen den Fußgängerampeln nur Wagemutigen zu empfehlen. Ein Durchstich von der Heer- zur Weseler Straße, wie sie die MBI vorschlagen? Für Zell „ein übergeordnetes Thema. Aber wir begrüßen alles, was die Duisburger Straße entlastet.“

Ute Möhlig mahnt indes vor übertriebenem Aktionismus. Man sehe ja an der Mellinghofer Straße in Dümpten, dass eine Umgehungsstraße einem Stadtteilhandel auch das Wasser abgraben könne. Doch auch sie hofft, dass zumindest etwas getan wird, damit nicht mehr so viele schwere Lkw über die Duisburger rollen.