Mülheim. Immer mehr Mülheimer sind auf Grundsicherung im Alter angewiesen, weil die Rente nicht zum Leben ausreicht. Die Gewerkschaftssekretärin fürchtet: Die Zahl wird weiter steigen. „Der Frauenanteil ist dabei immer höher, er liegt etwa bei zwei Dritteln“, sagt Peter Todt, zuständig für Grundsicherung.

Die Altersarmut nimmt zu, und sie ist überwiegend weiblich: Das verraten die Zahlen derjenigen Menschen, die in Mülheim Grundsicherung erhalten. Waren es im Jahr 2010 noch 1452 Bürger über 65 Jahre, die ihre zu kleine Rente vom Staat aufstocken lassen mussten, so waren es 2013 schon 1701 Personen, wie das Sozialamt auf Anfrage mitteilte. „Der Frauenanteil ist dabei immer höher, er liegt etwa bei zwei Dritteln“, sagt Peter Todt, der zuständige Abteilungsleiter Grundsicherung.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) spricht bei der Grundsicherung im Alter offen von „Alters-Hartz IV“ und hat die Mülheimer Zahlen mit der Sozialleistung vor der Einführung der Grundsicherung vor zehn Jahren verglichen. Damals bekamen laut NGG rund 860 ältere Mülheimer finanzielle Unterstützung vom Staat. NGG-Geschäftsführerin Yvonne Sachtje beklagt diese Entwicklung: „Für den einzelnen Rentner bedeutet dies, dass eine gesetzliche Rente unter dem Existenzminimum liegt.“

Knappe Rente bei steigenden Lebenshaltungskosten

Bei der Schuldnerberatung in Mülheim spiegelt sich diese Entwicklung, dass viele im Alter mit dem Geld nicht mehr auskommen, wider. „Im letzten Jahr waren gut zehn Prozent der Ratsuchenden über 60 Jahre alt“, sagt Carsten Welp, Leiter der Schuldner- und Insolvenzberatung bei der Awo. „Von den 143 Kunden über 60 bekamen etwa die Hälfte ergänzende Leistungen zu ihrer Rente.“ Es sei eher die Ausnahme, dass Welp und seine Kollegen Senioren über 60 berieten, deren Rente eigentlich zum Leben ausreichen müsste.

Auch die Kosten sind gestiegen

2511 Personen hatten im Jahr 2013 in Mülheim Anspruch auf Grundsicherung nach dem SGB XII. Darunter waren 1701 Männer und Frauen über 65 Jahre.

Anspruch haben auch Erwachsene unter 65, die nicht dauerhaft erwerbstätig sein können (und ihre Kinder), sowie behinderte Kinder/Jugendliche.

Im Jahr 2010 lagen die Kosten für die Grundsicherung in Mülheim bei ca. 10,7 Millionen Euro, 2013 bei 13,4 Mio. Euro.

„Bei den meisten Schuldnern über 60 Jahre ist die Rente schon knapp – und wenn dann die Lebenshaltungskosten steigen, wird es schwierig.“ Bei seiner Beratungstätigkeit sieht er häufig, dass die Nachzahlungen von Strom und Gas Probleme bereiten. Die Zahl der Ratsuchenden über 60 sei bei der Schuldnerberatung nicht stark angestiegen, meint Carsten Welp rückblickend. Aber: „Es wird auf keinen Fall weniger.“

Angst vor der Armut wächst

Auch bei den NGG-Mitgliedern wachse die Angst vor der Armut im Alter. NRW-Geschäftsführerin Yvonne Sachtje macht dafür einerseits zu niedrige Löhne verantwortlich, zum anderen, dass vor allem viele Frauen in Teilzeit arbeiteten.

Sie nennt als Beispiel etwa die Bäckereifachverkäuferinnen. Tarifliche Altersvorsorge wie die Entgeltumwandlung könnten sich viele dann von ihrem Lohn nicht mehr leisten. Ihre Befürchtung zur Altersarmut der Frauen: „Die Zahl wird weiter steigen.“

Yvonne Sachtje erinnert daran, dass das Rentenniveau, ermittelt auf der Basis des durchschnittlichen Netto-Jahresarbeitseinkommens, auf derzeit 48,8 Prozent gesenkt wurde, und sieht die Bundespolitik in der Pflicht: „Eine weitere Absenkung des Rentenniveaus wird zu mehr Altersarmut führen.“