Mülheim.. Von 1873 stationär gepflegten Mülheimern sind 1000 auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Das Los trifft auch Gutverdiener. Nach der Veröffentlichung dieser Zahlen reagierten Sozialpolitiker erschrocken. Eine Wunderlösung hat keiner, die Bürgerversicherung aber kommt wieder ins Gespräch.

„Ich war geschockt, als ich die Zahlen gelesen habe“, gibt der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sascha Jurczyk, zu. Natürlich ist ihm die Problematik der hohen Pflegekosten, die selbst gutbürgerliche Pflegefälle am Ende zu Sozialfällen werden lässt, ebenso wenig neu, wie seinem Fachkollegen Rainer Hartmann aus der CDU-Fraktion.

„Aber es ist schon etwas anderes, wenn man schwarz auf weiß liest, dass 1000 von 1873 Altenheimbewohner auf öffentliche Hilfe angewiesen sind, um ihre stationären Pflegekosten abzudecken und das die Stadt pro Jahr 15 Millionen Euro für diese Pflegekosten aufwenden muss“, sagt Jurczyk.

Vertrauen in die Zahlen

Sein Ratskollege Hartmann ist als Aufsichtsratsvorsitzender der Mülheimer Seniorendienste ganz nah dran am Thema. Er kennt die Zahlen der städtischen Altenheime und sagt im Bewusstsein dieses Wissens: „Ich habe auch keine Wunderlösung. Denn ich sehe keine Möglichkeiten, wo man noch sparen könnte. Da wird ja kein großes Geld verdient. Einige Altenheime schreiben ja zum Teil jetzt schon keine schwarzen Zahlen. Und die Pflege wird bestimmt nicht preiswerter.“

Allerdings glaubt Jurczyk, „dass Pflegeheimkosten von monatlich über 3000 bis 4000 oder 5000 Euro sinken müssen, weil sie von den Menschen einfach nicht akzeptiert werden.“ Kostentransparenz ist für ihn deshalb das oberste Gebot, um Vertrauen zu schaffen. „Es muss nicht immer das Heim sein“, plädiert er für einen Ausbau ambulanter und preiswerterer Pflegealternativen. Auch der Ausbau der Rehabilitation in den Altenheimen könne die höchste und teuerste Pflegestufe 3 verhindern oder zumindest hinauszögern.

„Gute Pflege hat ihren Preis“

Mit seinem Ratskollegen Hartmann und seinem Parteifreund Anton Schaaf, der bis 2013 rentenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion war, ist sich Jurczyk einig, dass sich die Bürger auf steigende Beiträge zur Pflegeversicherung einstellen müssen.

„Es wird verdammt teuer werden, die zunehmende Zahl alter Menschen zu pflegen“, blickt Schaaf in die Zukunft. Aber er lässt auch keinen Zweifel daran, dass eine gute Pflege ihren Preis hat. Er bekennt sich dazu, dass der Sozialstaat erst einspringen kann, wenn die finanziellen Möglichkeiten der Pflegebedürftigen erschöpft sind und dass die Kosten für gute Pflege Vorrang vor dem Vermögensschutz der Erben haben müssen.

Bürgerversicherung als Ausweg?

Schaaf fordert eine Pflegeversicherung, in die alle Bürger nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit einzahlen müssen und die auch erwerbsunabhängige Einkommen, wie Mieten oder Zinsen berücksichtigt. Auch Christdemokrat Hartmann glaubt: „Man müsste man ein solches Modell, wie es in der Schweizer Bürgerversicherung praktiziert wird, zumindest mal durchrechnen.“

Die Sozialdemokraten Jurczyk und Schaaf sehen aber auch die Notwendigkeit einer Arbeitsmarktreform, die Lohndumping und Altersarmut verhindert und mehr Freiraum für die Pflege von Angehörigen schafft.