Mülheim. . Jan Köhler aus Mülheim lässt sich am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung zum Glasapparatebauer ausbilden - und ist damit ein echter Ausnahmefall. Was genau er macht und wie er zu seiner exklusiven Lehrstelle kam, erzählt er in unserer Serie zum 100-Jährigen Bestehen des MPI.

„Ich liebe Feuer“, sagt Jan Köhler, „und das hier ist der einzige Beruf, der mir Spaß macht.“ Bei seiner Vorliebe hätte der 18-Jährige auch Feuerwehrmann oder Pyrotechniker werden können, aber der gebürtige Mülheimer schlüpfte lieber in die Fußstapfen seines Großvaters und lässt sich am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung zum Glasapparatebauer ausbilden. Damit ist Jan Köhler ein Exot: Der Ausbildungsplatz wurde eigens für ihn am MPI geschaffen, in der Berufsschule ist er der Einzige seines Fachs und in ganz Nordrhein-Westfalen gibt es nur wenige weitere Azubis.

Jans Opa hat fast 50 Jahre am MPI gearbeitet, erst als Chemielaborant, später als Glasapparatebauer. Seitdem wurde dort nicht mehr in diesem Spezialberuf ausgebildet. „Ich habe zwei Schulpraktika in der Glaswerkstatt gemacht und fand das super. Dann habe ich einfach gefragt, ob ich nach dem Realschulabschluss hier eine Lehre machen kann“, erklärt Jan Köhler. Glasapparatebau-Meister und Werkstattleiter Jürgen Lutz, der seit 28 Jahren im MPI arbeitet, war einverstanden.

Die Flamme wird je nach Glasart 800 bis 1500 Grad heiß

Und so sitzt Jan Köhler nun seit September 2013 täglich an seinem Arbeitsplatz in der Werkstatt, direkt mittig vor ihm der Brenner. Die Größe der Flamme reguliert er mit einem Pedal. Weiter hinten reihen sich röhren- und stabförmige Glasrohlinge. „Die Flamme wird je nach Glasart 800 bis 1500 Grad heiß“, erklärt der Duisburger. Das dauert nur eine halbe oder eine Minute, dann legt er los – mit bloßen Händen! „Glas leitet Hitze schlecht, und leicht verbrannt habe ich mich nur ganz am Anfang mal.“

Schutzkleidung tragen er und seine drei Kollegen nicht, aber ihre Bekleidung muss aus 100-prozentiger Baumwolle sein, Synthetik wäre zu schnell entflammbar. Unverzichtbar ist die Schutzbrille, die gelbe Natriumstrahlen absorbiert. Sie bilden sich im heißen Glas. „Ein bisschen warm ist es schon manchmal, vor allem im Sommer“, untertreibt der Auszubildende lächelnd. „Nachdem ein größeres Stück fertig ist, atme ich erst mal durch.“

Glas ist das ideale Material für die Zwecke der Chemiker 

Aus den maschinell gefertigten Rohlingen stellt Azubi Jan spezielle Apparate für die Chemiker und Chemielaboranten im MPI her, oft Einzelanfertigungen. Kühler oder auch Vakuumlinien, das sind Glasapparaturen mit mehreren Seitenhähnen, die an eine Vakuumpumpe angeschlossen sind. Sie kommen unter anderem zum Einsatz, wenn eine Reaktion unbedingt ohne Sauerstoff ablaufen soll. „Die Chemiker kommen mit gezeichneten Plänen zu uns und erklären genau, was sie brauchen. Wir setzen das dann nach unseren besten Möglichkeiten um.“ Glas ist das ideale Material für die Zwecke der Chemiker, weil es säure- und hitzebeständig ist und man die chemische Reaktion darin sehen kann.

Obwohl der Ablauf gleich bleibt – den Rohling erhitzen, das flüssig werdende Glas unter ständigem Drehen formen (sonst fällt es herunter) – gibt es kaum Routine in der Werkstatt. Jeder Apparat ist anders. „Besonders gerne führe ich eigene Aufträge aus“, erzählt Köhler. Jetzt, gegen Ende des ersten Jahres, zeigt ihm Jürgen Lutz noch, wie es geht, dann aber ist der Azubi dran. Er weiß schon genau, wie man aus gedrehten gläsernen Spitzen komplexe Apparate wachsen lässt.

In dritter Generation an dem renommierten Institut

Drei Jahre dauert die Ausbildung, und der junge Duisburger hofft, dass er anschließend übernommen wird. Wie sein Opa würde er sehr gerne auf Dauer am MPI bleiben. Auch seine Eltern haben dort ihre Ausbildung absolviert, beide sind Chemielaboranten. Nur sein Bruder schert aus der Familientradition aus und studiert Wirtschaftswissenschaften.

Absolventen sind begehrt in Forschung und Industrie

Das Max-Planck-Institut für Kohlenforschung bildet in unterschiedlichen Berufen aus. Derzeit lernen etwa 30 zukünftige Chemie- und Physiklaborant(inn)en, Industriemechaniker(inn)en und Industriekauffrauen/männer.

Etwa 200 bis 300 Bewerbungen bekommt das Institut jährlich. „Da die Ausbildung überregional ein hohes Renommee hat, werden die Auszubildenden nach ihrem erfolgreichen Abschluss gerne von Forschungseinrichtungen oder Industrieunternehmen eingestellt“, heißt es auf der Website des Max-Planck-Institutes. Einige werden auch übernommen.

Auch das benachbarte MPI für Chemische Energiekonversion bildet aus. Dort gibt es ebenfalls eine Glasapparatebauwerkstatt, jede versorgt den Bedarf ihres Instituts.

„Vielleicht mache ich noch den Meister oder den Techniker“, überlegt Jan Köhler. Das Arbeitsklima im MPI findet er bestens und mit den anderen Azubis trifft er sich in jeder Pause. Zur Berufsschule muss er allerdings als Einziger weit fahren: In Rheinbach nahe Euskirchen besucht er jeweils vier Wochen lang den Blockunterricht und lebt auf dem Schulgelände im Jugendwohnheim. „Weil ich hier der einzige Glasapparatebau-Azubi bin, haben sie mich in die Klasse der Flachglasmechaniker gesteckt, die Scheiben herstellen. Die Lehrer nehmen aber Bezug auf mein Fach, damit ich auch was vom Unterricht habe.“

„Mit Glasbläser können die meisten mehr anfangen“

Wenn Jan jemanden kennenlernt, muss er seinen zukünftigen Beruf stets erklären. „Mit Glasbläser können die meisten mehr anfangen.“ Meister Lutz ergänzt: „Die holen das flüssige Glas aus dem Ofen und können auch künstlerisch tätig sein, etwa Vasen herstellen.“ Jan Köhler ist ein echter Glückspilz: Er kann in dem Institut auf dem Kahlenberg seinen seltenen Lieblingsberuf erlernen und sein Ausbildungsplatz wurde extra für ihn geschaffen.

Das erforderliche Fingerspitzengefühl und die ruhige Hand für sein empfindliches Arbeitsmaterial besitzt er, wie sein Ausbilder Jürgen Lutz bestätigt. Seine Hobbys sind nicht ganz so filigran: Bis vor kurzem spielte der 18-Jährige Handball in der A-Jugend, und ab und zu geht er ins Fitnessstudio.