Mülheim. . Eigentlich ist er Augenarzt, doch hauptsächlich bringt Dr. Joseph Kashashari Kinder per Kaiserschnitt auf die Welt. In Tansania muss er anfassen, wo er gebraucht wird. Dass das in Deutschland ganz anders ist, erfuhr er bei seiner Hospitanz in Mülheim.

Eigentlich ist Dr. Joseph Kashashari ja Augenarzt, in seinem Krankenhaus – dem ELC Nyakahanga Hospital in Kagera (Tansania) – aber führt er hauptsächlich Kaiserschnitte durch. „Fachärzte wie hier in Deutschland gibt es bei uns kaum. Wir sind in unserer Klinik nur zehn Ärzte, jeder muss eigentlich fast alles machen“, berichtet er. Junge tansanische Mediziner können daher Erfahrungen in vielen Bereichen sammeln. Der 57-Jährige selber hat an zwei Medical Centern in Tansania studiert und breites Wissen erworben. Dennoch kommt er seit Jahren immer wieder gerne ins Ruhrgebiet, wo er im Rahmen einer Partnerschaft in den Evangelischen Krankenhäusern in Mülheim und Oberhausen (Ategris GmbH) hospitiert.

Diesmal – es war schon sein fünfter Aufenthalt im Revier – machte er sich über zwei Wochen lang vor allem in der Kinderklinik (Oberhausen) kundig. Richtig arbeiten darf der afrikanische Doktor in Deutschland nicht, aber zuschauen und assistieren. „Ich möchte neue Diagnoseverfahren und Behandlungsmethoden kennenlernen“, sagt er. Medizinische Forschung sei hier in Deutschland viel umfangreicher möglich und die technischen Hilfsmittel etwa in puncto Diagnose seien vielfältiger. „Leider sehe ich hier natürlich auch Geräte, die wir zu Hause wegen fehlender finanzieller Mittel gar nicht anschaffen können“, erklärt er.

Untersuchungen verlaufen bei ihm daheim daher auch ganz anders. Fragen, schauen, fühlen, riechen – ein tansanischer Arzt nutze alle seine Sinne, um zu einer Diagnose zu kommen. „In dieser Hinsicht können deutsche Ärzte vielleicht von uns etwas lernen“, so Dr. Kashashari.

Prävention beeindruckte

Was ihn in Deutschland fasziniert? Wie viele Untersuchungsmöglichkeiten es gibt – vor allem flächendeckend. „Bei uns muss man einen Tag lang fahren, um ein Krankenhaus zu erreichen, in dem es ein CT-Gerät gibt, eine Magnetresonanztomographie wird überhaupt nur in zwei Kliniken angeboten“, erzählt er. Auch Labortests könnten in seiner Heimat nur in kleinerem Umfang durchgeführt werden.

Gut findet der „Daktari“, dass die Deutschen medizinisch so gut aufgeklärt werden. „Schon die Kinder. Ich war total erstaunt, als ich sah, dass hier Kindergartenkinder zur DRK-Zentrale kamen und lernten, wie man bei Notfällen handeln sollte“, erinnert er sich.

Partnerschaft seit 2008

Die Partnerschaft zwischen der Ategris GmbH und dem ELCT Nyakahanga Hospital besteht seit 2008.

Ziel ist der Austausch von Menschen unterschiedlicher Kulturen sowie die Hilfe zur Selbsthilfe. Die fachliche, kulturelle und persönliche Bereicherung auf beiden Seiten wird angestrebt. Gegenseitige Besuche finden jährlich statt.

Apropos Notfall: „Da sind die Helfer hier in acht Minuten vor Ort, großartig“, meint Kashashari. In seiner Heimat dagegen sind die Wege weit. Sein Hospital im Distrikt Karagwe (214 Betten, 240 Mitarbeiter) ist für 640.000 Menschen in einem riesigen Gebiet zuständig. Etwa 12.000 stationäre und 40 000 ambulante Patienten werden hier im Jahr versorgt. Zum Vergleich: Das Ev. Krankenhaus Mülheim (EKM) hat 600 Betten, circa 1000 Mitarbeiter und 22.000 stationäre sowie 40.000 ambulante Patienten. Krankenversicherungen gibt es in Tansania nur wenige und ganz wenige Versicherte. „Dafür ist für Kinder unter fünf Jahren, Schwangere, Menschen über 60 Jahre, chronisch Kranke und HIV- bzw. AIDS-Patienten die Behandlung kostenfrei.“

Dr. Joseph, Vater von vier Kindern und zweifacher Opa, hat schon viele Mülheimer und Oberhausener kennengelernt. Mit ihnen geht er nach der Arbeit z.B. bowlen oder Fußball gucken. Die Leute hier seien gastfreundlich und großzügig, findet er. Was ihm Sorgen mache, sei, dass es hier so viele alte Leute gebe und so wenige kleine Kinder. In Tansania hat eine Familie im Durchschnitt vier Kinder. 4500 Geburten finden im Jahr allein im Nyakahanga Hospital statt (600 im EKM/1400 im EKO) und 70 Prozent aller Operationen sind Kaiserschnitte (ca. 800). Da hat der Doktor aus Kagera wirklich einiges zu tun.