Mülheim an der Ruhr. . Stillen ist ein großes Thema im Evangelischen Krankenhaus Mülheim, ebenso der frühstmögliche Aufbau einer Beziehung von Mutter und Kind. Das Angebot ist so gut, dass sich die Frauenklinik ab sofort „babyfreundlich“ nennen darf. Wie es zu dem Zertifikat kam, berichtet Chefärztin Dr. Andrea Schmidt.

Willkommen im Leben! Ärzte, Hebammen und Schwestern der Frauenklinik des Evangelischen Krankenhauses tun alles, um Neugeborenen und ihren Eltern eine schönen Start zu ermöglichen. Stillen ist großes Thema an der Wertgasse, ebenso der frühstmögliche Aufbau einer innigen Beziehung. Dass ihre Bemühungen weit übers normale Maß hinausgehen, haben die Geburtshelfer nun schriftlich: Ab sofort darf sich die Abteilung „babyfreundlich“ nennen. Ausgezeichnet wurden sie von einer Initiative der Weltgesundheitsorganisation und Unicef.

NRW-weit gibt es bislang gerade zwölf Einrichtungen, die dieses Siegel erhalten haben. Und es war aufwendig, das Zertifikat zu erhaschen, berichtet Chefärztin Dr. Andrea Schmidt: Los ging es mit Schulungen für sämtliche Mitarbeiter der Geburtshilfe-Station. Im Unterricht ging es vor allem um die Frage, wie sich die Beziehung von Mutter und Kind von Anfang an optimal fördern lässt. Das geht durchs Stillen, na klar, das geht aber auch durchs weniger bekannte „Bonding“, was nur in den allerersten Minuten eines neuen Lebens möglich ist. Sobald das Baby entbunden ist, wird es nackt auf die Brust der Mutter gelegt – und beide dürfen die nächste Nähe in vollen Zügen genießen.

Neugeborenen sind ab sofort rund um die Uhr im Zimmer der Mutter

„Das ermöglichen wir jetzt auch nach einem Kaiserschnitt“, betont Schmidt. „Wenn das Kind fit ist, bleibt die Familie in den ersten zwei Stunden ganz für sich.“ Und weil das „Bonding“ ja danach nicht aufhöre, sich die Beziehung also weiter und weiter vertiefen soll, bleiben die Neugeborenen ab sofort auch rund um die Uhr im Zimmer der Mutter.

Auch für diese Veränderung im Krankenhaus-Alltag gibt es eine englische Vokabel; Experten sprechen von „Rooming-in“. Dieses führe auch zu mehr Selbstständigkeit. Von der ersten Minute an lerne die junge Mutter, wie sie ihr Kind bestmöglich versorgen kann.

Und die Schulungen dienten noch einem Zweck: „Das Team spricht jetzt aus einem Mund“, so Schmidt. Wer Fragen stelle, bekomme nun von jedem Mitarbeiter die inhaltlich gleichen Antworten – „das war früher nicht immer so“. Zu den Änderungen gehöre zudem, dass mehr dokumentiert wird. Außerdem habe man mit Anästhesisten und Radiologen einen Standard entwickelt, um jungen Müttern auch im Falle einer Vollnarkose oder einer CT-Untersuchung ein Weiterstillen zu ermöglichen. Babyfreundlich darf sich die Frauenklinik darüber hinaus nennen, weil sie mit einer Stillquote von 89 Prozent weit über dem Durchschnitt liege.

Immer mehr Geburten an der Wertgasse

Babyfreundliche Geburtskliniken bieten eine ganzheitliche Betreuung an – von der Vorsorge für Schwangere bis zu Beratungsangeboten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus. Die Auszeichnung sei für werdende Eltern ganz sicher „ein Kriterium, warum sie sich für eine bestimmte Klinik entscheiden“, so Chefärztin Dr. Andrea Schmidt.

Das Evangelische Krankenhaus verzeichnet steigende Geburtenzahlen: 2012 gab es 589 Entbindungen, 2013 schon 635; und der positive Trend halte an.

Stillberaterin als eine Art Geheimwaffe

Besonderen Anteil an diesem Erfolg hat Ute Voß, die als ausgebildete Still- und Laktationsberaterin eine Art Geheimwaffe des Hauses ist. Voß habe schon vielen Frauen geholfen, die glaubten, mit dem Stillen nicht zurechtzukommen, berichtet Stationsleiterin Elke Kusen. Eine besonders hübsche Geschichte dazu weiß Stephan Romanowski zu berichten: Romanowski ist Gynäkologe und Oberarzt der Frauenklinik – und seit 2013 selbst Papa. Die Mama seines Sohnes ist Hebamme im eigenen Haus. Doch auch sie hatte zunächst Stillprobleme und war froh, dass Voß ihr zur Seite stand.