Mülheim. . Igor Levit spielte am Montag, 30. Juni, beim Klavier-Festival Ruhr in der Mülheimer Stadthalle Beethovens letzte Sonaten. Und das in einer Weise, die wohl selbst die kühnsten Erwartungen übertraf.
Wohl kaum eine Werkgruppe hat so zahlreiche und tiefschürfende Kommentare und Deutungen provoziert wie die letzten drei Klaviersonaten Beethovens. Äußerungen des Komponisten über „das Zusichkommen des Geistes“ in einem Brief an die Widmungsträgerin von op. 109 bis zu Alfred Brendels „Präludium des Verstummens“ zu op. 111 umreißen die metaphysischen Dimensionen dieses „Abschieds des Titanen“ vom Zentrum seines Schaffens, mit dem er gleichzeitig überkommene Formprinzipien aufhob und das Tor zur Romantik weit aufstieß.
Und diese Heiligtümer sollte nun, als dritter nach zwei prominenten Kollegen, ein gerade mal 27 Jahre junger Mann in ihrer Tiefe ausschöpfen? Igor Levit tat es in einer Weise, die wohl selbst die kühnsten Erwartungen übertraf. Bereits eine scheinbare Äußerlichkeit zeigte den besonderen Gestaltungswillen: Levit spielte, schon rein pianistisch ein enormer Kraftakt, die drei Werke ohne Pause nacheinander, was ihre Zusammengehörigkeit und innere Bezogenheit sinnfällig machte. Geradezu atemberaubend aber war die Intensität, mit der die metaphysische Dimension, die Welthaltigkeit der Werke, Ereignis wurde.
Zuhörer waren spürbar gebannt
Der Weg vom quasi improvisatorischen Suchen bis zur ruhigen Selbstgewissheit in op. 109, von einer brüchigen Idylle zum quälenden „dolente“ und zur Rettung in op. 110, vom zerklüfteten Drama zum Entschweben in ein überirdisches Jenseits in op. 111: Die Zuhörer waren spürbar gebannt und brauchten eine längere Betroffenheitspause, ehe der Beifall einsetzte und sich immer mehr steigerte. Eine Zugabe hätte hier eine unangemessene Trivialisierung bedeutet.