Dortmund/Duisburg. . Ab 15 wird es in vielen Fällen ernst mit der Liebe. Dann soll bei vielen jugendlichen Liebespaaren aus Kuscheln mehr entstehen. Jetzt sind auch die Eltern gefragt. Der wichtigste Tipp der Therapeuten: So früh wie möglich über Verhütung reden.

Wann dürfen Jugendliche Sex haben? Das Alter allein sei nicht das einzige Kriterium. Laut Pro Familia Duisburg aber sollte das erste Mal nicht vor dem 15. oder 16. Lebensjahr liegen. Jüngere seien einfach noch nicht reif genug, da sind sich die meisten Sexualtherapeuten einig.

Bei Kindern unter 14 hellhörig werden

„Der richtige Zeitpunkt für das erste Mal hängt bei Jugendlichen von ihrer seelischen und körperlichen Reifung ab. Darüber können die Meinungen von Erwachsenen und Jugendlichen auseinander gehen. Der Großteil der Jugendlichen wünscht sich diese Erfahrung jedoch im Rahmen einer festen Beziehung“, sagt Sozialarbeiterin Marlene Lang, die gemeinsam mit Kollege Peter Rüttgers seit über 20 Jahren bei der Duisburger Beratungsstelle Pro Familia Fragen zur Sexualität beantworten. Bei Kindern, die deutlich früher als mit 14 durch das Bedürfnis nach Sex auffallen, sollten die Eltern hellhörig werden.

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Wann der richtige Zeitpunkt ist, interessiert auch Eltern – und zwar oft schon dann, wenn ihre Kinder die Geschlechtsreife noch gar nicht erreicht haben. Eltern denken vorausschauend, fragen sich: Ab wann wird mein Kind Sex haben wollen? Und wie geht man damit um?

Auch Achtjährige sprechen schon von Liebe

Verliebt seien Kinder nicht erst mit 15. Auch viel kleinere Kinder können dieses Gefühl verspüren, so liest man in der Fülle der Ratgeber. Das komme gar nicht so selten vor, dass auch Achtjährige schon über Liebe sprechen, sagen Sexualtherapeuten. Die Liebe sei in diesen Jahren noch nicht körperlich. Die Therapeuten raten: locker bleiben, aber die Gefühle respektieren. Und so früh wie möglich über Verhütung sprechen. Bei aller Liberalität sollte man schon das Wissen vermitteln: „Es kann dabei ein Kind entstehen“, sagt Reinhild Temming, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin aus Dortmund. Doch wie sag ich’s meinem Kind? Bloß keinen Termin machen, bloß nicht herumstottern, sondern die Dinge beim Namen nennen.

Wieviel soll man erzählen? „So viel, wie die Kinder wissen wollen. Wer sein Kind gut kennt, weiß, wann Schluss ist.“ Temming – wie auch Pro Familia — rät dazu, einfach mal Aufklärungs-Broschüren im Zimmer zu verteilen. „Die werden gelesen!“ Erstaunlich, aber beim Thema Sex suchten die Jugendlichen den Rat häufig noch klassisch – per Gespräch oder per Broschüre. Soziale Netzwerke seien höchstens eine Ergänzung. Die Schule spiele eine große Rolle. Genauso wie das Elternhaus, das ein wichtiger Ort sei, um die sexuelle Reifung zu begleiten.

Dem Kind genau zuhören

„Aufklärung sollte auf Augenhöhe erfolgen“, sagt die Psychotherapeutin. Ohne Drohgebärde, aber nachfragend. „Wenn man das Gefühl hat, dass sich das Kind irgendwie zum Sex gedrängt fühlt, sollte man nachhaken. Und deutlich machen, dass jeder zu jeder Zeit auch ,Nein’ sagen kann. Und darauf hinweisen, dass es schöner ist, sich mit dem ersten Mal Zeit zu lassen, bis man reif genug ist, Sex auch wirklich als schön zu empfinden.“

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Die wichtigste Basis, so Temming, sei Vertrauen. Dann lasse sich vieles ansprechen. Auch die Frage, ob das Liebes-Pärchen sich in der elterlichen Wohnung zurückziehen darf. „Grundsätzlich ist da nichts gegen einzuwenden. Die Eltern sollten es immer davon abhängig machen, wie reif ihr Kind ist. Sie sollten immer schauen, ob alles freiwillig geschieht, ob es beide wollen.“

Auch das Verhalten der Eltern ist entscheiden

Wird das Bedürfnis nach Sex zu früh – etwa mit zwölf – geäußert, sollte man die Kinder schützend davor bewahren. „Häufig liegt dieses Bedürfnis auch daran, dass die Kinder in einem Haushalt groß werden, der übermäßig sexualisiert ist“, so Temming. Wo Sexmagazine herumliegen oder die Eltern sehr freizügig mit Pornofilmen umgehen. „Das kann Kinder schon sehr irritieren.“ Man müsse sich immer fragen, warum das Kind seinen natürlichen Schutzraum verlassen habe. Auch der elterliche Sex sollte zum Schutz der Kinder diskret ablaufen. „Kleine Kinder könnte das verängstigen.“

Ob Kinder ein natürliches Verhältnis zum Sex entwickelten, hänge auch stark davon ab, ob Eltern selbst natürlich mit ihrem Körper umgingen. Nicht verklemmt, aber auch nicht enthemmt. Ob Eltern nackig durch die Wohnung laufen sollten? „Oft sind Jugendliche sehr schamhaft, da sollte man sensibel sein. Wichtig ist, dass man das natürliche Schamgefühl akzeptiert. Und keine Grenzen überschreitet“, so Temming.

Die Statistik zeigt: Je niedriger die Bildung, desto früher machen Kinder erste Sex-Erfahrung

Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung machen Jugendliche mit niedrigerem Bildungsstand und/oder eher ungebildeten Eltern ihre ersten sexuellen Erfahrungen früher als Gleichaltrige mit höherer Bildung.

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Laut Statistik haben bei den Hauptschülern 63 Prozent der Mädchen und 53 Prozent der Jungen ihren ersten Geschlechtsverkehr mit 14 Jahren oder sogar noch früher. Bei den Gymnasiasten hingegen sind es 32 (Mädchen) und 19 Prozent (Jungen).

Wurde 1980 nicht einmal die Hälfte aller Jungen zu Hause aufgeklärt, sind es inzwischen 65 Prozent der Jungen und 75 Prozent der Mädchen, die von ihren Eltern aufgeklärt werden. Bei mehr als der Hälfte der Jugendlichen sind Mutter und Vater auch Vertrauenspersonen. Die Statistik zeigt, dass Jugendliche mit wenig Vertrauen zu ihren Eltern von ihrem ersten Sex eher überrascht wurden.

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