Mülheim. Die neue Statistik zur Jugendkriminalität in Mülheim liegt jetzt vor. Danach haben die Strafverfahren gegen junge Menschen weiter zugenommen. Und leider sind vor allem die Fallzahlen im Bereich Gewalttaten angewachsen. Man müsse aber genau hinschauen, wie eine Statistik entsteht, rät eine Expertin.

Der junge Mann – ein Drogenkonsument – war schon häufiger wegen Gewalttaten aufgefallen. Und auch dieses Mal war er wenig zimperlich: Der Streit mit einem Bekannten endete mit massiven Schlägen und einem riesigen Hämatom am Kopf.

Ein Fall von vielen, der im vergangenen Jahr Eingang fand in die Mülheimer Kriminalitätsstatistik. Wie sich die Jugendstraffälligkeit 2013 entwickelt hat, erklärte jetzt Pamela Busse gegenüber Politikern. Die Dipl.-Sozialarbeiterin arbeitet beim Kommunalen Sozialen Dienst der Stadt im Fachgebiet Jugendhilfe im Strafverfahren. Zwei ihrer Kernaussagen sind diese: Die Anzahl der eingegangenen Strafverfahren hat zugenommen (von 620 in 2012 auf 724 in 2013), bleibt aber nach wie vor hinter den Zahlen früherer Jahre zurück. Und bedauerlich ist, dass vor allem im Bereich Gewaltdelikte die Akten zugenommen haben (von rund 130 auf rund 160) – entsprechend übrigens dem bundesweiten Trend.

Harte Lebensumstände nicht außer acht lassen

Doch, so relativiert Busse im Gespräch mit der WAZ, hieße das nicht gleich, dass es tatsächlich deutlich mehr Gewalt gebe. Die Fallzahlen hingen auch davon ab, wie hoch die Bereitschaft zur Strafanzeige bei den Opfern sei und wie streng die diensthabenden Staatsanwälte seien, ob sie also eher schnell oder weniger schnell anklagten.

Und außerdem, so betont sie, dürfe man keinen Fall nur einseitig sehen. Aus der Praxis wisse sie, dass gerade Jugendlichen, die durch extreme Taten auffallen, oft ein großes Problempaket mit sich herumtragen. Harte Lebensumstände dürfe man bei der Beurteilung nicht außer acht lassen, „auch wenn ich kein Fan davon bin, nur so zu argumentieren – es gibt schließlich genug Jugendliche, die bei gleichen Bedingungen nicht kriminell werden“.

"Daten schwanken immer ein bisschen"

Aufgefallen sei zudem, dass viele Fälle mit Suchtmittel-Missbrauch zu tun haben. „Und manches Mal kann ich sogar verstehen, dass sich jemand betäuben will. Im Sog passieren dann leider auch die anderen Dinge.“ Auch bei der Sanktion müsse man das beachten: „Wenn einer mit zehn anfängt, Alkohol zu trinken und später auch zu kiffen und zu koksen – dann ist doch klar, dass eine Haftstrafe für ihn nicht das Problem beseitigt.“ Dieser Jugendliche brauche dringend Therapie.

Häufiger Jugendstrafe verhängt

Zum Stichtag 31. Dezember 2013 waren 11.111 Menschen zwischen 14 und 21 Jahren in Mülheim gemeldet, was 6,6 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht, heißt es in dem nun vorgestellten Bericht. Von dieser Altersgruppe seien in 2013 insgesamt 6,5 Prozent strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Die Strafverfahren richteten sich dabei vor allem gegen männliche Jugendliche und Heranwachsende (75,8 Prozent). Und männliche Jugendliche seien es auch, die die schwerwiegenderen Delikte begehen; wie schon in den Vorjahren seien Arreste und Jugendstrafen fast ausschließlich gegen männliche Jugendliche verhängt worden.

Der größte Teil der eingegangenen Strafverfahren entfiel laut Bericht auf den Stadtbezirk 2 (Rechtsruhr-Nord): insgesamt 276. In Rechtsruhr-Süd wurden 244 Verfahren gezählt, in Linksruhr 204.

Wie nun wurde reagiert auf die Gesetzesverstöße? In Fällen leichterer Kriminalität und vor allem bei Ersttätern kann auf die Anklage verzichtet werden und das Verfahren nach einer pädagogischen Maßnahme eingestellt werden. Dieses sogenannte Diversionsverfahren fand in 162 Fällen Anwendung. 423 Akten landeten jedoch beim Amtsgericht.

In 53 Verfahren wurde die härteste Sanktion – die Jugendstrafe – verhängt, womit diese Zahl weiter angestiegen ist: von gerade 22 im Jahre 2011 über 43 in 2012 auf nunmehr 53 Verfahren. Der drastische Anstieg dieser Zahl könne durchaus mit der gestiegenen Zahl der Gewaltdelikte zusammenhängen, sagt Pamela Busse.

Laut Statistik haben auch Diebstähle zugenommen und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Sachbeschädigung, Schwarzfahren und Verkehrsdelikte dagegen waren im Vergleich zu 2012 leicht rückläufig. Im Vergleich zu 2011 sind sogar nur die Gewaltdelikte angestiegen. „Die Daten schwanken immer ein bisschen“, sagt Busse – das habe auch damit zu tun, wie aufmerksam etwa in Bussen oder Kaufhäusern kontrolliert werde.