Mülheim. . Im WAZ-Städtevergleich liegt nur Hagen beim Verschuldungstempo vor Mülheim. Und in acht Tagen wird der Stadtkämmerer wohl die Überschuldung feststellen müssen. Das Land hat kein Einsehen: Die Städte dürfen die Wertberichtigung für ihre RWE-Aktien nicht auf Jahre strecken.
Nur noch acht Tage! Dann wird die Stadt mit ihrem Jahresabschluss 2013 wohl den Offenbarungseid leisten müssen. Die Verhandlungen mit dem NRW-Innenministerium, nicht mit einem Schlag eine Wertberichtigung der RWE-Aktien vornehmen zu müssen, sind offenbar gescheitert. Wenn Mülheim für sein Eigenkapital eine dem Kursverfall entsprechende außerordentliche Abschreibung vornimmt, rutscht die Stadt absehbar in die Überschuldung. Mülheim – ein Sanierungsfall. Die Stadt ist nicht schuldlos daran, zeigt ein NRW-Städtevergleich.
Die WAZ hat die Entwicklung der Pro-Kopf-Verschuldung von 14 nordrhein-westfälischen Städten zwischen den Jahren 2002 und 2012 untersucht (neuere Daten werden erst im Mai veröffentlicht). Dabei hat sie insbesondere Städte in den Blick genommen, die schwer in der Kreide stehen. Ergebnis: Unter den untersuchten Städten hat Mülheim im vergangenen Jahrzehnt das zweithöchste Verschuldungstempo an den Tag gelegt. Innerhalb von nur zehn Jahren haben sich Mülheims Schulden fast verdreifacht. Nur in Hagen ist ein marginal höheres Tempo festzustellen.
Strukturelle Vorteile, aber höheres Verschuldungstempo
Ministerium: Wertberichtigung für RWE-Aktien sofort
Das Innenministerium pocht auf eine sofortige und dem Kursverfall angemessene Wertberichtigung für die kommunalen RWE-Aktien. „Wir haben auf die haushaltsrechtlichen Regelungen hingewiesen“, erklärte eine Ministeriumssprecherin die Verhandlungen mit Kommunen (u.a. Mülheim) für beendet.
Die Sprecherin verwies auf die Antwort der Landesregierung auf eine kleine Anfrage aus Mai 2013, wonach eine auf Jahre gestreckte Wertberichtigung inakzeptabel ist. Den Kommunen komme gleichwohl ein Ermessensspielraum zu. Die Kommunalaufsicht prüfe die Angemessenheit.
Andere Ruhrgebietsstädte, die wie etwa Gelsenkirchen und Duisburg über eine deutlich schlechtere Steuerkraft verfügen und unter wesentlich mehr sozialen Verwerfungen ächzen, schneiden in der Bilanz wesentlich besser ab. Allein die Erklärung, dass andere Städte über den Stärkungspakt seit 2011 Landeshilfen zur Sanierung ihres Haushaltes erhalten (Duisburg, Hagen, Hamm, Oberhausen, Remscheid, Wuppertal), dürfte Mülheim kaum aus der zweifelhaften Spitzenstellung des Vergleichs (siehe Grafik unten) bringen. Bereinigt man etwa die Daten für Wuppertal um die bis Ende 2012 geflossenen Landeshilfen, so kommt auch kein wesentlich höheres Verschuldungstempo heraus (238 %). Es liegt trotzdem weit unter dem Mülheimer Wert.
Mittlerweile, da Mülheims Überschuldung bevorsteht, mehren sich auch Stimmen bei Verantwortungsträgern, die mahnen, die Ausgabenpolitik der Stadt dringend auf gesünderes, sprich: kleineres Fundament zu stellen. „Mülheim hat sich vieles eine Nummer zu groß geleistet“, ist da mit Blick nicht nur auf die Feuerwache oder das Medienhaus zu hören. Die gesamte städtische Infrastruktur gehöre auf den Prüfstand. Der Personalbestand in der Verwaltung sei zu hoch, ebenso das Defizit im ÖPNV. Der Politik wird aus Reihen der Verwaltung vorgeworfen, nicht mal „einen ehrlichen Kassensturz“ gemacht zu haben.