Mülheim.

Ein Wiener Walzer am Abend - das muss einfach sein. Im Dreivierteltakt wirbeln acht Paare über die Tanzfläche. Doch so klassisch-romantisch geht es im „Ballhaus Melody“ nur manchmal zu. DJ Rainer legt eher Schlager (zu 70 %) oder Pop-Songs auf, zu denen ein flotter Foxtrott oder rassiger Cha-Cha-Cha angesagt ist. Aktuelle deutsche Titel und Oldies wechseln sich ab. „Zu später Stunde spiel’ ich noch offensiver auf“, sagt der alte Hase am „Plattenteller“. Dann ist „was ganz Modernes dran“, und die Tanzpaare beweisen beim Discofox, dass sie richtig viel Puste haben.

Es ist Donnerstag, 20 Uhr - und Damenwahl. Viele Ladys haben schon einen/ihren Herrn aufgefordert. Auf dem Tanzboden, über dem sich eine große glitzernde Diskokugel dreht, ist richtig was los. Frauen und Männer - so zwischen 55 und 85 Jahre jung - schweben zum dem bekannten Lovesong „Only You“ (aus den Fünfzigern) übers Parkett. An den kleinen Tischen im schummrig-gemütlich beleuchteten Lokal sitzen andere junggebliebene Menschen und plaudern munter, während das bulgarische Duo „Astra“ sich schon auf seinen Auftritt vorbereitet. Denn: Live-Musik gibt es bei Heike Geldemayer-Vahlefeld (55) und Hans Vahlefeld (70), den Betreibern des „Melody“, regelmäßig. „Wir buchen die Bands immer für ein paar Tage, die wohnen bei uns und spielen für eine moderate Gage“, erzählen sie.

Es geht nicht ums "Sehen und Gesehen werden"

Das Ballhaus an der Monning hat Geschichte. Vor genau 50 Jahren wurde es eröffnet, hieß damals (und bis 1978) aber noch „Ball der einsamen Herzen“ und wurde lange mit viel Herzblut von Vahlefelds Mutter Else geführt. Seit Ende der 80er sind Heike (ehemals Friseurin) und Hans (gelernter Radio- und Fernsehtechniker mit kaufmännischer Ausbildung) die Chefs im Tanzlokals, sie haben es zwischenzeitlich ausgebaut und modernisiert. Viele Gäste sind Stammkunden, kommen seit 25 oder 30 Jahren her - sogar „von auswärts“. „Die Atmosphäre hier ist einmalig. Man wird so genommen, wie man ist. Da wird nicht geguckt, ob man dick oder dünn, jung oder alt ist“, sagt Maria Berger (aus Viersen).

Eine Kleiderordnung gibt es tatsächlich nicht. Männer in Jeans und Pulli sieht man ebenso wie Herren im dunklen Anzug. Manche Damen sind mit hochhackigen Schuhen und glitzernden Tops unterwegs - aber längst nicht alle. Ums „Sehen und Gesehen werden“ geht es im Ballhaus nämlich weniger. Und auch nicht in erster Linie ums Anbandeln. „Hier tanzt jeder mit jedem, manchmal auch Frau mit Frau. Wir kennen uns ja alle seit langem. Ich tanze gerne auch auseinander“, sagt Karin, seit 25 Jahren „mit im Club“. Ab und zu zappeln übrigens auch alle synchron ab - bei einem feschen Partytanz mit fester Choreographie.

Kaffee und Kuchen um 23 Uhr

Verguckt und gefunden haben sich im „Melody“ dennoch einige. „Über 30 Ehen und mehr als 100 Partnerschaften sind hier eingestielt worden“, schätzt Hans Vahlefeld. Angelika König und Özen Feyzullah sind so ein glückliches Pärchen. „Wir kommen schon ewig her, kennen uns seit 20 Jahren. Gezündet hat es aber erst vor zwei Jahren“, erzählen sie und finden: „Hier im Ballhaus ist es so herrlich familiär.“ Und manchmal furchtbar lebensnah: „Es sind leider auch schon zwei Gäste hier tot vom Stuhl gekippt“, berichten die Inhaber.

Quicklebendig ist Norbert Ackermann, er schiebt bereits im 32. Jahr „drei bis vier feste Tanzpartnerinnen“ durch den rot-blauen Salon. „Früher, als hier nur Ballhaus-Musik gespielt wurde, bin ich mit Schlips und Kragen hergekommen, aber auch heute noch trage ich immer ein Sakko“, sagt er. Dabei war und ist er ein echter Rock’n’Roller. „Leider ist heute keiner mehr da, der noch richtig Rock’n’Roll tanzen kann“, bedauert er.

Die Stimmung im „Melody“ kocht dennoch, obwohl das meist verkaufte Getränk Wasser ist. Eine neue Idee der Vahlefelds hat übrigens gut eingeschlagen. Donnerstags um 23 Uhr gibt es Kaffee und Kuchen, damit auch alle weiterschwofen - bis weit nach Mitternacht.

Jubiläumsparty mit Live-Band

Zum Tanz für die reifere Jugend (der älteste Stammgast ist übrigens 87 Jahre alt und schwoft noch richtig) lädt das „Ballhaus Melody“ an der Duisburger Straße 482 seit 1964 ein. Es öffnet immer donnerstags ab 19 Uhr und meist auch am 1. und 3. Samstag im Monat ab 19 Uhr. Außerdem gibt es sonntags ab 15 Uhr einen Tanztee. Der Eintritt ins Lokal ist frei, dafür muss jeder Gast aber eine Verzehrkarte (15 Euro) erwerben und „abarbeiten“.

Während Hans Vahlefelds Schwester Maria und später lange seine Mutter Else den „Ball der einsamen Herzen“ organisierten, betrieb er selbst - in nächster Nähe - die Diskothek „Gelber Elefant“, die für ihre besonders laute Musik und ihre Lasershows weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt war. Dort traten unter anderem Stars wie Peter Maffay, die Spider Murphy Gang, Jürgen Drews oder Ted Herold auf.

Das 50-jährige Bestehen des „Ballhaus Melody“ soll mit einem Jubiläumsfest am Samstagabend, 22. März, groß gefeiert werden. Die Krefelder Band „Pan“ sorgt dann für Live-Musik, es gibt ein kaltes Büfett - und wahrscheinlich ein volles Haus. Eine Travestie-Show ist im Jubiläumsjahr auch noch geplant.

Für Fans der TV-Show „Let’s Dance“ lüften die Vahlefelds noch ein Geheimniss: Tanzlehrer und Juror Joachim Llambi soll nach eigenen Aussagen seine ersten (oder zweiten) Schritte im Mülheimer „Melody“ gemacht haben.