Mülheim-Saarn. . Das Berufskolleg Lehnerstraße in Mülheim-Saarn bietet unterschiedliche Bildungsgänge mit Abschlüssen vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur. Die Durchlässigkeit zwischen den Ausbildungswegen und die Beratung der Schüler spielen eine wichtige Rolle.
Vielleicht ist das Berufskolleg so etwas wie die eierlegende Wollmilchsau unter den Schulen – schließlich bietet die Schulform eine ganze Reihe von Bildungsgängen an, so dass nahezu jeder einen Weg für sich finden könne, sagt René Schütt, Lehrer am Berufskolleg Lehnerstraße in Saarn. Hier kann man vom Hauptschulabschluss bis zur Allgemeinen Hochschulreife unterschiedliche allgemeinbildende Abschlüsse erwerben.
René Schütt macht deutlich: „Das Berufskolleg ist durchlässig, hier greifen mehrere Schulformen ineinander, so dass niemand durch den Rost fällt, der sich nicht halbwegs bemüht.“ Auch jemand, der ohne Hauptschulabschluss komme, habe am Berufskolleg Lehnerstraße die Möglichkeit, diesen binnen eines Jahres nachzuholen. Wer sich dann richtig ins Zeug legt, schaffe es womöglich bis zum Abitur, verdeutlicht René Schütt.
Schulform Berufskolleg wird häufig auf Berufsschule reduziert
Der 38 Jahre alte Lehrer weiß, wovon er spricht. Er selbst besuchte nach seinem Realschulabschluss die Höhere Handelsschule am Berufskolleg Lehnerstraße, absolvierte anschließend eine Ausbildung, machte am Wirtschaftsgymnasium des Saarner Berufskollegs das Abitur, ging ins Studium – wurde schließlich selbst Lehrer und unterstützt nun das Pädagogen-Team seiner ehemaligen Schule.
Schwerpunkt auf Wirtschaft und Verwaltung
Das Berufskolleg Lehnerstraße hat seinen Schwerpunkt im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung. In der Berufsschule werden Auszubildende in den Bildungsgängen Bankkaufmann/-frau, Bürokaufmann/-frau, Kaufmann/-frau im Einzelhandel, Kaufmann/-frau im Großhandel, Industriekaufmann/-frau, Medizinische Fachangestellte/Medizinischer Fachangestellter, Veranstaltungskaufmann/-frau und Verkäufer/Verkäuferin unterrichtet.
In der Berufsschule werden die Auszubildenden befähigt, die IHK-Prüfung erfolgreich abzulegen und den Berufsschulabschluss zu erreichen. In den Berufsfachschulklassen werden die Schüler je nach Bildungsgang qualifiziert für den mittleren Bildungsabschluss ohne/mit Qualifikation, die Fachhochschulreife oder die allgemeine Hochschulreife.
Ein Werdegang, der nicht unüblich ist, wie Schulleiter Uwe Metscher berichtet. Er selbst hat während seiner Lehre zum Industriekaufmann die Berufsschule an der Lehnerstraße besucht, arbeitete dann in seinem Beruf, bevor er als Lehrer zurückkam ans Berufskolleg.
Alle Schüler starten bei Null
„Durch unsere berufliche Erdung haben wir eine andere Art zu unterrichten, haben eine größere Zugewandtheit zu den Schülern und sehen sie als Erwachsene, als Wissenspartner“, skizziert Metscher nach 40 Jahren im Schuldienst. Was ihn wurmt ist allerdings die Tatsache, dass die Schulform Berufskolleg allzu häufig auf die Berufsschule reduziert werde. Dabei, so Metscher, sei das Berufskolleg durch sein breitgefächertes Angebot gerade auch für diejenigen eine Option, die es nicht auf dem ersten Weg geschafft haben.
Dass solche Schüler ihre restliche Schulzeit über mit einem Makel leben müssen, sieht Metscher nicht. Im Gegenteil: „Hier fangen alle bei Null an, haben dadurch gleiche Startchancen. Lehrer wie Schüler treten einem unvoreingenommen gegenüber – ganz gleich, woher man kommt.“ Damit jeder der zurzeit rund 1400 Schüler aus der Vielzahl der Möglichkeiten die für ihn passende findet, setzt das Berufskolleg Lehnerstraße auf umfassende Beratung. Nicht zuletzt, wenn es darum geht, den Sprung vom Berufskolleg in die Arbeitswelt zu schaffen. „Über 800 Betriebe schicken ihre Azubis zu uns. Dementsprechend gut ist der Kontakt zu den Unternehmen“, betont Metscher. Sinnbildlich festgehalten hat das Berufskolleg Lehnerstraße diesen Anspruch an sich selbst in seinem Logo: die Brücke zur Wirtschaft.
Die Art zu lernen hat sich gewandelt
„Die Art zu lernen und die Art seine Freizeit zu gestalten, das hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt“, hat Berufskollegleiter Uwe Metscher in seinen 40 Berufsjahren im Schuldienst beobachtet und betont: „Die jungen Leute sind heute nicht fauler oder dümmer als vor zwanzig Jahren, aber sie leben unter einem Mediengewitter, das den Alltag nicht immer einfacher macht.“ So haben sich die Einstellungen und Kompetenzen vieler Jugendlicher, die vor dem Wechsel ins Berufsleben stehen, erheblich verändert, meint Metscher.
Korrektur der ursprünglichen Idee
Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen leisteten ihren Beitrag dazu, ebenso wie die aufgebrochenen und veränderten Familienstrukturen, ist der Leiter des Berufskollegs Lehnerstraße überzeugt. Emotionale und soziale Defizite gepaart mit Hilflosigkeit und Orientierungslosigkeit einiger Schüler erschwerten mitunter die Unterrichtsarbeit. Eine hohe Beratungsintensität – sowohl zur Laufbahn des einzelnen Schülers als auch zur Konfliktbereinigung – soll dort einhaken. Einen Weg durch den Ausbildungsdschungel zu finden, das hat sich das Berufskolleg Lehnerstraße für seine Schüler auf die Fahnen geschrieben.
Verschiedene Bildungsgänge
Im Bereich der Berufsfachschulen bestehen am Berufskolleg Lehnerstraße folgende Bildungsgänge: Oberstufe der zweijährige Berufsfachschule (Handelsschule) zum Erwerb des mittleren Bildungsabschlusses, einjähriges Berufsgrundschuljahr für Wirtschaft zum Erwerb des Q-Vermerks, einjährige Berufsfachschule für Schüler mit mittlerem Bildungsabschluss, zweijährige höhere Berufsfachschule (Höhere Handelsschule) mit Erwerb der Fachhochschulreife, dreijährige höhere Berufsfachschule (Wirtschaftsgymnasium) mit Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife.
Dazu gehört auch das Konzept der Durchlässigkeit zwischen den Bildungsgängen. Dabei ist es möglich, nach einem Quartal oder Halbjahr eine Korrektur der ursprünglichen Bildungsgangentscheidung vorzunehmen, ohne dass es zu einem Bruch in der Bildungsbiografie kommen muss. Auch da setzt wieder die konsequente Beratungsarbeit an, die die Schüler von der Anmeldung und der Wahl eines Bildungsganges bis zum schulischen Abschluss begleitet. Hilfreich wäre für alle Beteiligten, ist Uwe Metscher der Ansicht, eine konsequent eingerichtete Ganztagsschule, die „nicht unter dem Spardiktat leiden darf“.
In seinen Augen könnten auch Oberstufenzentren mit breiter Ausrichtung eine Antwort auf die geänderten Anforderungen in der Bildungslandschaft sein. Dabei müsse es auch Ziel sein, so Metscher, bei dem sich vollziehenden Wertewandel den Horizont der Lernenden zu weiten und dabei neben Bildungsanreizen auch die kulturelle Aspekte einzubeziehen.
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