Mülheim. Tierliebe, Sachverstand sowie viel Platz und Zeit brauchen Taubenfreunde für das sportliche Hobby,sagt Taubenvater Willi Boeing und beklagt, dass keine Jugend nachfolgt. Das kennt auchWerner Geißler, er ist einziges Mitglied des Brieftaubenvereins „Ohne Furcht“.

Werner Geißler, einziges Mitglied des Brieftaubenvereins „Ohne Furcht“, hat sich Verstärkung zum Pressegespräch geholt: Willi Boeing aus Speldorf vom Verein „Unermüdet“, der immerhin noch 14 Mitglieder zählt. Beiden Senioren sprechen begeistert über ihren Sport: Sie züchten Brieftauben und schicken die Vögel auf die Reise – und das schon fast ihr ganzes Leben.

Der 78-jähriger Werner Geißler ist seit 1954 dabei, der 86-jährige Willi Boeing sagt: „Mit dem Vater mache ich das schon seit 1936, allerdings mit 25-jähriger Pause.“ Die beiden sind echte Experten, fachsimpeln unermüdlich. Beim Fototermin im Gartenschlag – die Reisetauben sind oben im Dachschlag untergebracht – weist Boeing auf die „Kaffeeflecken“ auf den Schwingen hin, an denen man den „Vogel“ erkennt, das männliche Tier. Weibchen nennt der Experte Tauben.

Raubvögel und fehlender Nachwuchs erschweren Arbeit

„Der fehlende Nachwuchs und der Raubvogel machen uns Züchtern schwer zu schaffen. Sperber, Habicht und Wanderfalke fühlen sich in der Stadt mittlerweile wohl und wir können unsere Vögel in den Wintermonaten leider gar nicht mehr fliegen lassen“, bedauern die Männer. Sechs bis sieben Tauben holt der Raubvogel im Jahr, und dazu kommen noch Fuchs, Marder oder Eichhörnchen, die gerne in Gartenschläge eindringen. „Nachdem der Marder bei mir im Schlag war, waren hinterher fast alle Tauben hinüber“, klagt Boeing. Werner Geißler hat noch 70 Renntauben im Dachschlag, 26 Zuchttauben in der Voliere, die sein Kollege anerkennend begutachtet. „Schöne Vögel hat der Werner da“, murmelt Boeing.

Brieftaubensport kann finanziell lohnend sein. Für die meisten Hobby und Leidenschaft

Von April bis August ist Reisezeit, die Tauben können während eines Fluges Distanzen von mehr als 1000 km zurücklegen.

Früher war der Umsatz pro Flug 3000 bis 4000 DM. Heute wird in Mülheim, im Gegensatz zur Praxis in einigen Nachbarstädten, kaum noch um Geld gespielt. Bei internationalen Wettflügen wie in Südafrika sind die Kosten hoch, die Gewinne entsprechend sehr hoch. Ein Mülheimer hat dort, laut Geißler, 135 000 Euro gewonnen.

Brieftauben fliegen bis zum
Alter von maximal sieben Jahren.

Knapp 30 Züchter gibt es noch in Mülheim, ein Bruchteil von früher, die sich zur Reise-Vereinigung Mülheim-Ruhr-Angerland zusammen geschlossen haben. Diese unterhält auch den Kabinenexpress, mit dem die Tauben auf die Reise geschickt werden. Im April geht es wieder los. 14 Touren, darunter drei bis fünf Trainingsflüge, sind in diesem Jahr geplant. Über Entfernungen zwischen 145 bis 660 Kilometer werden die Vögel geschickt. Wien ist für die Brieftauben der Mülheimer Reise-Vereinigung die weiteste Entfernung. „Obwohl es auch Züchter gibt, die ihre „Spieler“ bis Barcelona schicken.“

„Um Geld wird in der Reise-Vereinigung nicht mehr gespielt“, sagt Geißler. Bei den Südafrikanischen Rennen gebe es hohe Prämien, aber da müsse man schon 1000 Dollar pro Vogel zahlen, um ihn zu „aktivieren“, also für einen Preis zuzulassen. Er habe 2012 drei Vögel in Südafrika aktiviert, einer habe 1000 Dollar eingespielt. Ein Mülheimer habe 135.000 Dollar gewonnen.