Mülheim. Auch in Mülheim steigt mit den Strompreisen der Beratungsbedarf in Sachen Energiesparen. Doch Energiesparen allein kann die sozialen Folgen der steuer- und abgabenbelasteten Strompreise nicht ausgleichen.
Alles hat seinen Preis, auch der Strom. Doch rund zwei Drittel der Ruhrgebietler empfinden den Strompreis inzwischen als unvertretbar hoch und wollen mit Aussicht auf die Energiewende auch nicht noch mehr für ihren Strom bezahlen. Das zeigt eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Initiativkreises Ruhr, über den die NRZ gestern berichtete.
Bei der Caritas, die seit vier Jahren einen kostenfreien Energie-Sparcheck für Menschen mit kleinem Geldbeutel anbietet, haben sich die entsprechenden Beratungsanfragen in den letzten Wochen verdoppelt. „Die Leute werden schneller auf uns aufmerksam, weil der finanzielle Druck größer wird. Kamen früher vielleicht 15 Anfragen pro Monat, so sind es heute 30 und unsere sechs Energiesparhelfer haben alle Hände voll zu tun“, berichtet der zuständige Projektleiter Nenad Dobrivojevic.
Welchen Beitrag leisten die Energieerzeuger?
In etwa 20 Prozent der Beratungsfälle führt die Energiearmut sogar direkt in die Schuldnerberatung. „Die Leute, denen wir helfen, wissen, dass der Strompreis im Allgemeinen und die Energiewende im Besonderen eine Medaille mit zwei Seiten ist“, sagt Dobrivojevic. Nicht selten werden die Energiesparhelfer der Caritas von ihren Klienten gefragt: „Wir sparen Strom, wo wir können und welchen Beitrag leisten die Energieerzeuger?“
Dobrivojevic weiß: „Hausbesitzer können von der EEG-Umlage profitieren, indem sie sich eine Solaranlage aufs Dach stellen. Aber wir haben es hier meistens mit Mietern in oft alten Wohnhäusern zu tun.“ Weil ihnen in der Regel das Geld für die Anschaffung energiesparender Haushaltsgeräte fehlt, bleibt es nicht selten beim Energiesparen nach dem dem Motto, Heizung runterdrehen, Wollpullover anziehen und weniger duschen.
Steuern und Abgaben senken
Für den Geschäftsführer der Mülheimer Energiedienstleistungsgesellschaft (Medl), Hans Gerd Bachmann, dessen Unternehmen die Energiesparhelfer der Caritas finanziell unterstützt und den Medl-Kunden eine zunächst bis April geltende Strompreisgarantie gegeben hat, steht fest: „Die Steuern und Abgaben, die inzwischen rund 50 Prozent des Strompreises ausmachen, müssen gesenkt werden.“
Auch Sozialamtsleiter Klaus Konietzka muss einräumen, dass der jährlich angepasste Regelsatz für Bedarfsgemeinschaften im Arbeitslosengeld-II-Bezug dem Anstieg der Strompreise nur hinterherhinken kann. 2013 musste die Sozialagentur 500 Haushalten ein Darlehn gewähren, damit diese ihre Stromschulden bezahlen konnten. In einem Prozent der Fälle übernahm die Stadt die Stromschulden, weil es sich um kinderreiche Haushalte mit hohem Energiebedarf handelte.
Langfristig noch viel teurer
Beim Stromversorger RWE, der 100.000 Mülheimer Haushalte beliefert, will man nicht sagen, wie vielen Kunden der Strom abgesperrt worden ist, weil sie ihn nicht mehr bezahlen können. Nur soviel sagt man: „Die Zahl der Mahnungen und Stromsperren ist in den letzten beiden Jahren stabil geblieben.“
Susanne Dickel von der Mülheimer Initiative für Klimaschutz lässt trotz der ungeliebten EEG-Umlage, die erst zu Jahresbeginn wieder um knapp 20 Prozent auf 6,2 Cent pro Kilowattstunde angehoben worden ist, keinen Zweifel daran, dass der Strom ohne Wende weg von den fossilen hin zu den erneuerbaren Energiequellen (Wind, Wasser, Sonne) langfristig noch viel teurer werden würde.