Mülheim. . Auch zu Beginn des Jahres 2014 herrscht allenthalben Funkstille, was aus dem Kaufhof-Leerstand im Herzen der Stadt werden kann. Das Jahr 60 + 1 ist für das mächtige Gebäude angebrochen. Heute wird der Abriss gefordert, bei der Eröffnung 1953 groß gefeiert.

Auch zu Beginn des Jahres 2014 herrscht allenthalben Funkstille, was aus dem Kaufhof-Leerstand im Herzen der Stadt werden kann. Eigentümer Jochen Hoffmeister verhandelt, so bestätigte er am Montag, weiter mit zwei interessierten Investoren für eine Einzelhandelslösung. Ihm selbst aber sei es ein Rätsel, welche Hoffnung Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld im September mit ihrer Aussage verbunden habe, eine Kaufhof-Lösung stehe unmittelbar bevor. Das Jahr 60 + 1 ist für das mächtige Gebäude zwischen Friedrich-Ebert- und Schollenstraße angebrochen. Grund genug, einmal zurückzublicken auf die Zeit, als die Neubauten gefeiert wurden.

August 1952: Eine kleine Meldung in der Mülheimer Zeitung verkündet, dass für die Kaufhof AG ein Neubau ihres Mülheimer Warenhauses ab sofort vordringlich ist. Kein Wunder, ist das Geschäft in Mülheim doch äußerst umsatzträchtig. Nachdem das Tietzsche Stammhaus an der Wallstraße/Ecke Löhberg den Bomben im November 1943 nicht standgehalten hat, firmiert der Kaufhof seit November 1948 an der unteren Schloßstraße – dort, wo sich später das Hotel Noy etabliert. Nirgends in Deutschland, so stellt die Kaufhof AG 1952 fest, mache sie mehr Umsatz pro Quadratmeter als in Mülheim. Wo so viel Kaufkraft gebunden werden kann, muss ein modernes Kaufhaus her. . .

Stärke des Einzelhandels wurde in Schaufenstern gemessen

Im März 1953 beginnen die Bauarbeiten für das „Riesenprojekt“, einen viergeschossigen, „in seiner Art einmaligen Bau“ auf einer Grundfläche mit 82 mal 40 Metern. In einer Rekordzeit von acht Monaten soll der moderne Großbau entstehen, der als einer der „bedeutendsten städtebaulichen Gewinne der letzten Jahre“ gesehen wird. Es gelingt.

Daten zur Mülheimer Kaufhof-Geschichte

Die Wurzeln des Mülheimer Kaufhofs liegen im Kaufhaus Tietz, das 1928 mit einer Verkaufsfläche von rund 10.000 Quadratmetern an der Wallstraße, Ecke Löhberg eröffnete. Auf fünf Geschossen arbeiteten damals 300 Mitarbeiter.

Durch eine Bombennacht im November 1943 wurde das Kaufhaus komplett zerstört. Doch schon im Dezember 1943 ging der Verkauf an zwei Stellen weiter: im Woolworth-Haus an der unteren Schloßstraße und auf einer kleinen Verkaufsfläche des alten Eisenwarengeschäftes Höffmann. Allerdings war die Belegschaft zu diesem Zeitpunkt auf 85 Mitarbeiter geschrumpft.

Seinen ersten Neubau eröffnete der Kaufhof 1948 am heutigen Standort des Hotel Noy, fünf Jahre später war der Neubau an der Friedrich-Ebert-Straße errichtet. 1963 fand die letzte Erweiterung auf 11.000 Quadratmeter Verkaufsfläche statt.

Am 29. Mai 2010 schloss der Kaufhof für immer seine Pforten.

Am 9. November 1953, am Abend vor der Eröffnung, lädt die Kaufhof AG zu einer Feierstunde in ihren Neubau ein. Oberbürgermeister Heinrich Thöne zeigt sich glücklich, mit der Großinvestition wieder auf dem Weg zu einer Einkaufsstadt zu sein, die die Konkurrenz zu den Großstädten ringsum nicht fürchten müsse. Der Kaufhof sei „ein Eckpfeiler des Wiederaufbaus“. Man misst die Stärke des Einzelhandels in Schaufenstern. Im Jahr 1953, so betont der Einzelverbandsvorsitzende Bonnen, hat Mülheim 100 Schaufenster hinzugewonnen, 29 davon allein durch den neuen Kaufhof.

„Und wenn es ganz Mülheim nicht geglaubt hätte“, so Kaufhof Geschäftsführer Schröder vor der 600-köpfigen Belegschaft und Ehrengästen, „wir sind heute fertig geworden.“ Schon am Abend vor der Eröffnung drängen vor das in Neonlicht getauchte, mit Fahnen des Bundes und Landes geschmückte Gebäude Aberhunderte Mülheimer, um die Gäste der Feierstunde anfahren zu sehen und schon einmal einen Blick in die aufwändig dekorierten Schaufenster zu werfen. Am nächsten Tag ist der Ansturm noch um ein Vielfaches größer. Der neue Kaufhof entpuppt sich als wahrer Einkaufsmagnet. . .

Erweiterung begann im Februar 1962

Nach seiner Fertigstellung hat sich das neue Haus prächtig entwickelt. Schon nach kurzer Zeit sieht die Kaufhof AG so die Notwendigkeit einer Erweiterung von 6000 auf 11.000 Quadratmeter Verkaufsfläche. „Die mit kühnem Optimismus vorausgeschätzten Umsätze“, schreiben die Ruhrnachrichten, „wurden in beachtlichem Maße überschritten.“ 1955 schmiedet die AG erste diesbezügliche Pläne, los geht es aber erst sieben Jahre später. Im Februar 1962 begann die Erweiterung.

Ende September 1963 wird das 17,5 Mio. D-Mark teure „Haus der Superlative“ mit neuem Parkhaus, nun 53 Schaufenstern und 1000 Mitarbeitern eröffnet. Allein die Elektro-Zentrale des Hauses wäre in der Lage, eine Ortschaft mit 6000 Einwohnern zu versorgen. Das Netz der Heizungsrohre misst zwölf, das der Wasserver- und entsorgung elf Kilometer. Pro Stunde wird im erweiterten Kaufhof mit rund 400.000 Kubikmetern Frischluft so viel Luftvolumen gefördert, wie in 1000 Familienhäuser hineinpasst.

Der neue Geschäftsführer des Hauses, Bolte, meint zur Eröffnung: „Mülheim fährt nicht schlecht dabei, an einer so exponierten Stelle ein solches Haus zu haben.“ Ein Satz, der gut ein halbes Jahrhundert später befremdlich wirkt.

Zeitzeuge Herbert Leibold erinnert sich 

Ein neuer Kaufhof wird an der Friedrich-Ebert-Straße gebaut, nur einen Steinwurf vom alten Flachbau des Kaufhofs auf der Schloßstraße entfernt. Wieder erfolgt die Eröffnung im November. Am 10. November 1953 ist es soweit. Viele Gäste sind geladen und der Geschäftsführer sagt in seiner Eröffnungsrede: „Der Kaufhof sei nun im Mittelpunkt der aufstrebenden Stadt Mülheim gelegen und das Stadtbild erfährt durch diesen Bau seinen entscheidenden Akzent.“

Herbert Leibold
Herbert Leibold © Waz FotoPool

600 Verkaufskräfte werden in vier Verkaufsetagen bedienen. Die Summe aller Erfahrungen aus 50-jähriger Verkaufspraxis, so die Geschäftsführung, kam diesem Neubau mit seiner wunderschönen Muschelkalkfassade zugute, der mit seinen technischen Einrichtungen alles bietet. Kaum etwas, was nicht automatisch wäre.

Ein paar Tage nach der Eröffnung sind wir Jungs vor Ort. Geschickt verteilen wir uns, um nicht aufzufallen. In der Gruppe wären wir den Kaufhausdetektiven suspekt. Wir bleiben aber nie im Dunkeln, 4500 Lampen und 3550 Leuchtstoffröhren verbreiten ausreichendes Licht. Die fünf Rolltreppen machen es uns leicht. Es sind die ersten in Mülheim.

Feuer wird den Kaufhof nie bedrohen

Wenn wir vom eisigen Winter an der nahen Ruhr genug haben, finden wir immer wieder den Weg in den Kaufhof. Schon in den Eingängen bläst die Klimaanlage Heißluft aus und taut uns auf. Einer der Älteren von uns, der in einer Elektrikerlehre ist, denkt schon im Spaß daran, in den Keller zu schleichen und die Sicherungen herauszudrehen. Aber auch hier hat der Kaufhof vorgesorgt: Fällt das Licht plötzlich aus, springt drei Sekunden später automatisch ein Dieselaggregat an und gibt Notstrom. Feuer wird den Kaufhof nie bedrohen können. Eine Sprinkleranlage würde schon ab 72 Grad Celsius die Brausen an der Decke öffnen und dann jeden Winkel innerhalb von Sekunden mit Massen von Wasser überfluten.

Doch niemand von uns denkt daran, dem Kaufhof zu schaden. Schon bald ist er Teil unseres Lebens. Wir lieben ihn und ein Ende ist nicht abzusehen. . .

Was sind Ihre Erinnerungen an den Kaufhof? Schreiben Sie uns: WAZ-Redaktion, Eppinghofer Straße 1-3, 45468 Mülheim, oder: per E-Mail an redaktion.muelheim@waz.de