Mülheim. Mehr Verwirrung war selten: Vor Kurzem kostete ein Brief noch 55, dann 58, ab Januar glatte 60 Cent. Damit der Kunde mitkommt, hat die Post 2- und 3-Cent-Marken drucken lassen. Wir baten die 5a der Willy-Brandt-Schule nachzurechnen, in welcher Stückelung daraus ein gültiges Porto wird. Hier die Lösungen.
Heute, Kinder, wird’s was geben und das nicht nur zu Weihnachten, sondern auch zum neuen Jahr. Denn die Deutsche Post erhöht, alle Jahre wieder, ihre Portopreise. Nach dem Jahreswechsel reicht die 58-Cent-Briefmarke nicht mehr für den Versand des Standardbriefes. Dann müssen es schon 60 Cent sein. Also müssen demnächst Zwei-Cent-Briefmarken her, um die Portolücke zu schließen. Da werden Erinnerungen wach: Vor einem Jahr standen die Postkunden Schlange, um ihre 55-Cent-Briefmarken mit einer zusätzlichen Drei-Cent-Briefmarke auf den neuen Portostand zu bringen und damit ihre Post auf die Reise zu schicken. Wer soll da noch durchblicken?
Vielleicht Schüler, dachten wir uns.
Und so erfüllten uns 25 Mädchen und Jungen aus der 5a der Styrumer Willy-Brandt-Schule kurz vor Weihnachten einen Wunsch: Herauszufinden, mit wie vielen Briefmarkenkombinationen man auf dem 162x144 Millimeter großen C6-Umschlag eines Standardbriefs den Portowert 60 Cent erreichen kann?
Dabei mussten die Fünftklässler beachten, dass nur die Vorderseite des Briefumschlages beklebt werden durfte und das 90x45 Millimeter große Adressenfenster sowie der unter dem Adressenfeld angelegte 15 Millimeter breite Codierungsstreifen für die automatisierte Brieferfassung frei bleiben müssen.
Schnelle Problemlösung
„Obwohl die Flächenberechnung erst in der 8. Klasse auf dem Stundenplan steht, haben sich die Kinder sehr schnell der Problemlösung genähert und dabei auch ihre Teamfähigkeit bewiesen. Manche haben genau ausgerechnet, wie viel Platz die 20x17 Millimeter großen Drei-Cent- und die 19x16 Millimeter großen Zwei-Cent-Briefmarken benötigen. Andere haben die Lösung durch Ausprobieren herausgefunden“, berichtet die Mathematiklehrerin der 5a, Cecile Anderheyden.
Nach zwei Mathestunden, in denen die Fünftklässler mit Kreativität und Fingerspitzengefühl ihre abgepausten, selbst bemalten und ausgeschnittenen Briefmarkendummys auf die Umschläge gebracht hatten, lagen sieben mögliche Briefmarkenkombinationen auf dem Tisch, die am Ende zum Portoziel 60 Cent führten: Luca hatte es zum Beispiel mit 12x2-Cent- und 12x3-Cent-Briefmarken geschafft.
Schüler sind nicht abgeneigt
Schreiben Fünftklässler im Zeitalter von SMS-Kurzmitteilungen und E-Mails überhaupt noch Briefe oder Postkarten?
Elias meint: „Das Schreiben von Briefen und Postkarten ist heute altmodisch. Man muss den Brief schreiben, eine Briefmarke auf dem Umschlag kleben und den Brief zum Briefkasten bringen und einwerfen. E-Mail und SMS zu verschicken geht viel schneller und einfacher. Aber zu Weihnachten verschicken wir auch schon mal Karten und Briefe an Freunde oder Verwandte, die weiter weg wohnen.“
Johanna betont: „Ich freue mich total, wenn ich einen persönlichen Brief bekomme. Eine E-Mail zu verschicken, ist irgendwie doch nicht weihnachtlich. E-Mails kann man 1000 mal verschicken, aber ein Brief ist etwas einmaliges.“
„So einen Brief zu bekommen, macht Spaß"
„Wir verschicken unsere Urlaubsgrüße immer mit einer Postkarte“, berichtet Dana.
Tom gibt zu: „Ich verschicke lieber SMS als Briefe. Wenn man einen langen Brief schreibt, muss man sich sehr konzentrieren und nachher tut mir die Hand weh.“
Simon bekommt eigentlich nur von seiner Oma Briefe, die Weihnachten oft im Schwarzwald verbringt. „So einen Brief zu bekommen, macht Spaß und ist schon etwas Besonderes“, findet er.
Briefe sind spannender und schöner als E-Mails
Robin sagt: „Ich freue mich, wenn ich einen Brief im Briefkasten habe, denn der ist schöner und spannender als eine E-Mail.“
„Wenn man einen Brief bekommt“, findet Nick, „sieht man doch, dass sich jemand für einen Mühe gegeben hat. Denn eine E-Mail kann man ja ganz schnell mal eben so in den Computer tippen.“
Nikolai hatte sich für die Variante 20x3-Cent-Briefmarken entschieden. Johanna kam mit einer alten 55 Cent-Briefmarke, plus 2 Cent- und 3 Cent-Briefmarke zum Ziel. Erva wählte mit 60 Cent die naheliegendste Lösung. Robin schaffte es, auch wenn es sehr knapp wurde mit 30 Zwei-Cent-Briefmarken. Fahriye kam mit 18 Zwei-Cent und acht Drei-Cent-Briefmarken zum Ziel. Und auch die Variante 10x3-Cent + 15x2-Cent wurde in den Briefmarkenteams Zebra, Reh, Wolf und Katze als zielführend erkannt.
„Mir mussten immer wieder genau aufpassen, dass die Briefmarken nicht über den Rand des Umschlags geklebt wurden“, erinnert sich Johanna an das Porto-Experiment. „Es hat Spaß gemacht, dass wir im Team gearbeitet und uns gegenseitig geholfen haben und eigene Briefmarkenmotive malen konnten“, findet Elias. Doch Helan lässt auch keinen Zweifel daran, dass „wir für das ständige Aussortieren, Ausprobieren und Ausschneiden ganz schön viel Arbeit und Zeit gebraucht haben.“
Wir sagen Danke! Und die Postkunden sicher auch.
Blaue Briefe für die Post
Auch in der Klasse 5a der Willy-Brandt-Schule hat die erneute Portoerhöhung der Post keine Freunde. Nur Nikolai und Justin zeigen Verständnis für die Portopolitik der Deutschen Post: „Sie musste ihre Portopreise wohl erhöhen, weil die Spritkosten für die vielen DHL-Autos gestiegen sind“, glauben sie.
Ihre Klassenkameraden aus der Zebra-Gruppe schreiben dagegen an die Post: „Wir finden es nicht toll, dass Sie ständig neue Briefmarken für den Standardbrief drucken. Wie sollen die Menschen denn damit klar kommen?“
Erva und Fariye schreiben in ihrem blauen Brief an die Post: „Nächstes Mal wäre es sinnvoller, wenn Sie einmal genau überlegen würden, wann und wie die Preise steigen. Dann hätten wir diese Probleme mit den Zwei- und Drei-Cent-Briefmarken nicht.“
Luca und Simon aus der Wolf-Gruppe betonen in ihrem Brief an die Post: „Wir finden es unnötig, dass Sie die Briefmarkensumme immer wieder erhöhen möchten. Wir haben schon über fünf Möglichkeiten gefunden, um Ihre unnötigen Zwei- und Drei-Cent-Briefmarken zu nutzen. Trotzdem dauert es über eine Viertelstunde, um so viele Briefmarken aufzukleben. Deshalb bitten wir Sie, damit aufzuhören.“
Tom und Josiah aus der Katzen-Gruppe schreiben der Post recht entrüstet und durchaus warnend: „Jetzt bekamen wir von der NRZ eine sehr interessante Aufgabe. Wir mussten Briefmarken aufmalen, ausschneiden und auf einen Briefumschlag kleben. Das war eine sehr komplizierte Arbeit. Aber auf einmal fielen uns sehr viele Kombinationen ein. Und wehe, wir müssen wegen euch so eine Arbeit nochmal machen.“
Preise, Porto, Angebote - Hätten Sie’s gewusst?
Wussten Sie eigentlich, dass bundesweit täglich 64 Millionen Postsendungen transportiert werden und dass allein in Mülheim täglich 100 Postboten rund 100 000 Postsendungen zustellen und dass der sogenannte Standardbrief für 58 und demnächst für 60 Cent ein absolutes Sonderangebot der Post ist?
Denn dieses Porto wird nur für Briefe angeboten, die auf der Vorderseite des Umschlages mit Briefmarken rechts oben, sowie der gut lesbaren Adresse im Mittelfeld und dem Absender links oben beschriftet und frankiert worden sind. Nur diese Briefe können von den Adresslesemaschinen des für Mülheim zuständigen Briefzentrums Essen automatisch erfasst werden.
Standardbrief kann zu Kompaktbrief werden
Wussten Sie, dass Ihr Standardbrief zum Kompaktbrief werden kann, der mit 90 Cent Porto zu Buche schlägt, wenn er nicht standardmäßig adressiert und frankiert ist. „In Einzelfällen sind wir kulant, aber wenn jemand massenhaften, solche Briefe aufgeben würde, müssten wir als Post aktiv werden“, betont Postsprecher Dieter Pietruck.
Werden Briefe unleserlich adressiert oder unkonventionell frankiert, gehören sie nicht zu den 40.000 Briefen, die stündlich im Briefzentrum Essen automatisch erfasst werden und damit auf jeden Fall zu den fünf Prozent der Briefe gehören, die nicht am Tag nach ihrer Aufgabe beim Empfänger ankommen.
Wussten Sie, dass sich das normale Aufkommen der Postsendungen (siehe oben) zur Advents- und Weihnachtszeit verdoppelt?
Hätten sie gewusst, dass die Einnahmen aus dem Briefgeschäft der Post seit 2003 jährlich um zwei bis drei Prozent schrumpfen, während, die Lohn- Energie und Treibstoffkosten kontinuierlich ansteigen.
Und hätten Sie auch gewusst, dass die Post ihre Portopreise vor den Portoerhöhungen 2013 und 2014 15 Jahre lang stabil gehalten hatte?