Mülheim.

Jäh wird Schundkrimi-Autor Folkmar Windell aus seinem Amüsement im Nobelhotel gerissen. Der Bestseller-Schreiber ist Pleite und muss wieder ganz unten anfangen.

Zum schrägen Ensemble gehören Elmo und Kilius/Bäumler, Else mit der Bratpfanne und eiserner Rückhand, Chantalle vom Kiosk umme Ecke, die von Drachensteins und in der Hauptrolle: Hermine Inaway. Der Mülheimer Autor Jörg Juretzka ist wieder tief in die Preziosen-Kiste der Klischees gekrabbelt und fördert mit „Schlachtfeld der Liebe“ sein neues Buch zutage: flapsig, satirisch und voller Situationskomik.

Am Unglück von Folkmar Windell ist ein Verstoß gegen § 463/III. im Vertrag mit dem Verlag schuld: Nicht-Erscheinen bei einem PR-Termin. Das kann man Ihnen nicht vorwerfen. Aber mal im Ernst: Gibt es solch eine Klausel in Ihrem Vertrag?

Jörg Juretzka: Nein, so etwas habe ich nicht in meinem Vertrag stehen. Bei mir sind alle Presse-Termine freiwillig. Aber für mein Buch gefiel mir diese Klausel, als Druckmittel ist das ne feine Sache.

Sie sind ja eher ein zurückhaltender Mensch. Machen Sie gerne Presse-Termine und Lesungen?

Juretzka: Lesungen mache ich ganz gerne und auch Presse-Termine – das gehört einfach dazu. Aber ich produziere mich halt nicht gerne.

Die Geschichte im „Schlachtfeld der Liebe“ ist ganz schön schräg.

Juretzka: Sie orientiert sich in erster Linie an der Fernseh-Soap „Verbotene Liebe“. Das ist die Hauptquelle der Inspiration für dieses Buch. Es ist eine Parodie auf Daily Soaps. Hermine ist total berühmt als Autorin und niemand weiß, das Folkmar Windell hinter ihr steckt. Ihm ist die Rolle eigentlich verhasst, aber um sich zu retten, muss er nochmal in diese Rolle schlüpfen

Wie sind Sie gerade auf „Verbotene Liebe“ gekommen?

Juretzka: Das gucke ich seit Jahren.

Gerne?

Juretzka: Ich nenne es das tägliche Austesten meiner Leidensfähigkeit. Manchmal schaffe ich nur 15 Minuten von 45 Minuten.

Mit wieviel Minuten haben Sie angefangen?

Juretzka: Als ich angefangen habe, war das Format nur halb so lang. Da ging es über 25 Minuten, die ließen sich gerade eben so aushalten und es ging auch nur um blaues Blut. Mittlerweile haben sie das Format auf das Doppelte ausgewalzt und versuchen, es mit aller Gewalt zu modernisieren. So ganz allmählich verlieren die mich als Zuschauer.

Wenn Sie originellen Menschen begegnen, lassen Sie sich davon für eine Roman-Figur inspirieren?

Juretzka: Nein, meine Figuren sind alle fiktiv. Immer. Ich betreibe ja auch nie Recherche. Ich sitze vor meinem Rechner und zuzele mir alles aus den Fingern. Die besten Ideen habe ich immer nachmittags um 17 Uhr unter der Dusche.

Der wievielte Roman ist das jetzt?

Juretzka: Müsste der zwölfte sein. Zehn Kryszinskis (Krimis) und zwei Folkmar Windell.

Die beiden Windells gehen in eine andere Richtung als die Krimis. Wie sind sie aufgenommen worden?

Juretzka: Eingefleischte Kryszinski-Fans haben sie nicht so gut aufgenommen, andere Leute haben durchaus ihren Spaß daran. Das Publikum ist da ein bisschen zweigeteilt. Das ist unweigerlich so, wenn man nach zehn Romanen mit einer Serie bricht.

Gehen Sie mit Windell in Serie?

Juretzka: Nein, es bleibt bei diesen beiden. Zur Zeit arbeite ich an TaxiBar, dem elften Kryszinski, der im Frühjahr bei Rotbuch erscheinen soll.

Was passiert da?

Juretzka: Kryszinski macht eine Kneipe in Bahnhofsnähe auf. Ich weiß gar nicht, ob’s die überhaupt noch gibt, aber am Fuße des letzten Hochhauses am Hans-Böckler-Platz war früher mal eine Kneipe.

Also wieder ein Mülheim-Krimi?

Juretzka: Ja, der bleibt auch in Mülheim. Wie immer ist die Geschichte vielschichtig. Kryszinski hat zwar die Detektei offiziell geschlossen, wird aber von seiner Vergangenheit eingeholt.

Wer wird ermordet?

Juretzka: Wieso? Bei mir dreht sich doch nicht immer alles um Mord. Ich schreib’ doch keine Tatorte! Trotzdem fängt es mit einem Mord an. Diesmal. Zur Abwechslung. Und es geht diesmal auch wieder um verschiedene Stränge. Die ganze Geschichte ist noch in der Entwicklung. Ich muss selber noch abwarten, wohin das Buch driftet.

Das heißt, Sie haben die Geschichte noch nicht im Kopf?

Juretzka: Doch. Ich hab sogar schon den Schluss. Aber ich weiß noch nicht genau, wie ich da hinkomme. Und bevor ich mich jetzt verplappere – warten wir’s mal ab.

Sie haben mit „Das Schwein kam mit der Post“ und „Der Sommer der fliegenden Zucchinis“ zwei erfolgreiche Kinderbücher vorgelegt. Gibt’s Pläne für eine neues Kinderbuch?

Juretzka: Ich habe noch eins draußen, aber noch keinen Verleger dafür: Die „Midnight Gang und der Auftrag des Seelöwen“. Das sollte eine Reihe werden, aber ohne dass der erste Band verkauft ist, macht’s keinen Sinn. Es geistert durch die Landschaft, bis jetzt hat noch kein Verlag zugesagt.

Sie haben bereits dreimal den Deutschen Krimipreis bekommen und wurden 2012 mit dem Ruhrpreis der Stadt Mülheim ausgezeichnet. Sind Preise wichtig für Sie?

Juretzka: Ich hab mich ins Goldene Buch der Stadt eintragen dürfen. Seitdem frage ich mich immer, ob da jemals einer reinguckt. Nein, mal im Ernst: Der Ruhrpreis – das ist eine sehr, sehr nette Geste. Man sollte Preise immer als schöne Augenblicke verstehen. Man freut sich ein oder zwei Tage und dann . . . ist es nicht wirklich wichtig.