Mülheim. .

Sie sind keine Idealbilder, dennoch stellt Dries Verhoeven sie aus, zeigt sie her und lädt die Menschen ein zu gucken, zu bewerten, zu diskutieren. Denn letztlich offenbart sich so nicht der Beglotzte, sondern der Glotzer. Der niederländische Regisseur und Bühnenbildner steuert zum dritten Mülheimer Stadtspiel, das den Namen „Momentanindustrie“ trägt, eine Installation mit dem Titel „Ceci n’est pas. . .“ bei, die vom 13. bis zum 21. September in der Innenstadt für Gesprächsstoff sorgen soll.

Dries Verhoeven spricht stets von „Bildern“, die er zeigen will. „Bilder“, sagt er, seien es, „die man lieber nicht sieht.“ Dazu stellt er einen Metallkasten, der stark an eine Telefonzelle erinnert, auf den Kurt-Schumacher-Platz. An allen vier Seiten gibt es Rollläden, die sich täglich um 14 Uhr für fünf Stunden öffnen und den Blick auf die Bilder freigeben, die nichts anderes sind, als Menschen, die sich im Inneren des Glaskastens positionieren. Menschen also, die man lieber nicht sehen möchte, weil sie abseits dessen sind, was als normal oder schön oder geschmackvoll gilt. Doch eben weil sie sich so zur Schau stellen, fällt es schwer, nicht hinzuschauen.

"Dies ist keine Pfeife"

Jeden Tag präsentiert sich ein neues Bild. Ihre Titel beziehen sich stets auf das berühmte Werk des Surrealisten René Magritte: „Ceci n’est pas une pipe“ („Dies ist keine Pfeife“) nannte der das Gemälde einer Pfeife. An der Seite des Kastens wird jeweils der Titel samt Erklärung angebracht sein. Wer also alles verstehen möchte, muss ganz nah ran an den Ausgestellten. Dass Menschen davor keine Scheu haben, bewies die Premiere von „Ceci n’est pas…“. Dries Verhoeven brachte sie im Juni auf einen Platz in Utrecht. Dort gab es Passanten, die ihre Nase fast gegen das Glas drückten ebenso wie jene, die lieber Abstand hielten.

Es ist die erste Arbeit des Regisseurs im öffentlichen Raum, für Leute, wie er sagt, „die sich nicht bewusst dafür entschieden haben“, sie zu sehen. Sein Ziel dabei war, die Menschen ins Gespräch zu bringen, eine Diskussion anzustoßen über das „Bild“ im Kasten. Ist das da normal? Ist das schön? Darf das sein?

Für Mülheim relevante Änderungen

In Utrecht ist ihm das gelungen. Einige Bilder sind in beiden Städten identisch, eine ganze Reihe änderte Dries Verhoeven, „damit sie für Mülheim relevant“ sind. Ein Bild, das in Mülheim nicht zu sehen sein wird, trägt den Titel „Ceci n’est pas nature“ und zeigt einen Transsexuellen – oder eine Transsexuelle? Das Geschlecht lässt sich nicht klar definieren und zeigt dadurch, wie sehr Menschen die Unterscheidung zwischen Mann und Frau brauchen. „Denn“, sagt Dries Verhoeven, „wenn wir das Negative zeigen, stellt sich natürlich auch die Frage nach dem Positiven.“ Wie sieht unser Idealbild aus, dass Verhoeven uns vorenthält? Wie Mülheim diese Frage beantwortet, wird jeder Tag des Stadtspiels neu offenbaren.