Mülheim.
Jugendarbeitslosigkeit, griechische Zustände in Mülheim und eine Waschmaschine – die dritten Mülheimer Fatzer-Tage zeigen am Wochenende, 20. und 21. Juli, abermals die Vielfältigkeit des Text-Fragments von Bertolt Brecht. Fünf Inszenierungen, ein Symposium und Diskussionen beschäftigen sich diesmal mit der „Gemeinschaft des Einzelnen“.
500 Seiten umfasst Brechts „Fatzer“ und erzählt die Geschichte von vier Soldaten, die im Ersten Weltkrieg desertieren und nach Mülheim flüchten. Doch ist es vielmehr die Form als der Plot, die Theatermacher am Fatzer fasziniert: Diverse Textsorten, Szenen, Chöre, Kommentare, vereint er und bietet viele Ansätze, sich mit ihm zu beschäftigen. Das zeigt sich alle Jahre wieder im Ringlokschuppen: Dort wurde 2008 die erste Auseinandersetzung mit dem Fragment initiiert; dort startet das inzwischen dritte Fatzer-Festival.
Und es wird nicht das letzte sein; vielmehr soll es einen „freieren Umgang mit dem Text“ einleiten, wie Dramaturg Matthias Frense sagt. Fatzer soll mehr „Spielanlass“ als Spielinhalt werden. Deshalb luden die Organisatoren erstmals junge Performer und Kollektive ein, Vorschläge für szenische Inszenierungen zum diesjährigen Thema einzureichen. 20 Bewerbungen gingen ein, drei werden nun umgesetzt. Mit dem Ich im Wir beschäftigt sich das sechsköpfige Kollektiv Schauf/Millner. Es begibt sich auf der Suche nach dem Element, dass Einzelne zu einer Gemeinschaft verbindet – „abseits von Herkunft, von Nationalität, von Klasse“.
Grundlage in Athen gelegt
In Athen wurde die Grundlage für die Inszenierung der „Europäischen Gemeinschaft für kulturelle Angelegenheiten (EGfKA)“ gelegt. Das Kollektiv kooperiert seit 2011 mit griechischen Kreativen und arbeitete dort in einem Workshop zu Fatzer. Deserteure werden da zu Flüchtlingen, die im Norden eine Zukunft suchen und doch nur eine andere Art der Krise vorfinden.
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Katrin Hylla, Performerin, Theaterwissenschaftlerin, Regisseurin, hingegen agiert alleine. Sie inspirierte das Thema zum Blick auf die Theaterwelt, die von Kollektiven bestimmt ist – eine Form der kreativen Zusammenarbeit, die für Hylla nicht funktioniert. Doch alleine ist’s auch nicht leicht. Diesen Widerständen gibt sie in ihrer Inszenierung die Form einer Waschmaschine, die sie bewegen muss.
Neben den für das Festival neu geschaffenen Arbeiten sind zwei weitere Stücke zu sehen: Das Hessische Landestheater Marburg stellt mit „Fatzer“ die Frage nach einer menschenfreundlichen Gesellschaft (Regie: Stephan Suschke). 60 großartige Minuten verspricht Matthias Frense und zugleich einen klassischeren Theaterabend. Eine relativ freie Arbeit zeigt P14, der Jugendclub der Volksbühne Berlin, mit „Fleisch – ich bin ich, du bist du und es geht schlecht“. Unter der Regie von Lisa Brüning übertragen jugendliche Schauspieler die aussichtslose Situation der Soldaten auf die Suche nach einem Ausbildungsplatz.