Essen. Nach dem Großeinsatz der Polizei gegen die Rocker am Dienstagabend diskutieren viele Mülheimer über die Sinnhaftigkeit dieser Aktion. War die komplette Sperrung der Innenstadt ein notwendiges Zeichen - oder Verschwendung von Steuergeld und eine unverhältnismäßige Belästigung der Anwohner? Ein Kommentar.
Ausnahmezustand. Hunderte Polizisten, die die City abriegeln. Sie haben Maschinenpistolen im Anschlag. An Schlossbrücke und Eppinghofer wird jedes Auto kontrolliert. Einsatzkommandos halten 200 Bandidos und Hells Angels in Schach.
Was Mülheim am Dienstagabend erlebte, wird die Stadt nicht so schnell vergessen: Erstmals seit langem ist das Zentrum einer Ruhrgebietskommune durch Sicherheitskräfte abgeriegelt worden. Dabei floss kein Blut. Wenige Rocker wurden am Ende abgeführt. Was also sollte dieses Spiel? Hat die Polizei neuerdings Spaß an sinnloser Straßenkampf-Simulation?
Seit Jahren eskaliert der Konflikt
Wer so denkt, hat nichts verstanden. Seit Jahren eskaliert der Konflikt zwischen Rockerbanden im Revier. Vereinsverbote zeigen erste Wirkung. Dennoch verändert sich die Situation zum Schlechteren: Es sind eben nicht mehr nur harmlose Freizeit-Motorradgangs, die sich Banditen und Höllenengel nennen und in Chartern und Chaptern organisieren, die gar Polizeibeamte in ihren Reihen haben und gerne mit Männer-Rangeleien und Mutproben konkurrieren.
Es sind Multis der internationalen Organisierten Kriminaliät, die eine eigene Lynchjustiz mit Mord und Folter Abtrünniger unterhalten und Geschäftsinteressen mit Gewalt durchdrücken wollen. Ihre Bindungen reichen in die russische Mafia, stellt Europol in einem jüngsten Lagebericht fest.
RockerbandenStädte wie Duisburg, Köln, Aachen und Berlin sind umkämpfte Zonen der Republik geworden. Und Rivalen aus Südwestdeutschland und den Niederlanden rollen das Feld auf, die mit vermeintlicher "Rockerehre" nichts mehr zu tun haben und manchmal auch nicht mehr mit Motorrädern. Banden treten auf die Bühne, durchsetzt von Kriminellen vom Balkan und aus Kurdistan.
Die Rocker wollen den Staat im Staat
Am Gefährlichsten aber: Diese Truppen stellen die Machtfrage. Sie wollen den Staat im Staat. Sie tun das nicht spektakulär vor dem Bundestag in Berlin. Ihr Ziel ist es, Städte und Stadtviertel unter ihre Kontrolle zu bekommen. Hannovers Steintorviertel-Bürger kennen das. Polizei ist noch zugelassen - wenn sie sich friedlich und freundlich zeigt.
Darf es das sein? Wehret diesen Anfängen. Wem der Aufmarsch der nordrhein-westfälischen Polizei-Einsatzkommandos am Dienstag in Mülheim zu martialisch war, muss sich fragen, was er am Ende will: eine demokratisch kontrollierte Ordnung, deren Aufrechterhaltung auch ein paar Euros kostet - oder eben die lokale Herrschaft willkürlicher Gewalt selbsternannter korrupter Fürsten, mit der sie ihre illegalen und menschenfeindlichen Waffen-, Drogen- und Prostitutionsgeschäfte sichern.