Mülheim. . Die drei Beschuldigten, die Samstag in einer Mülheimer Straßenbahn vier Frauen ausländerfeindlich beschimpft haben, sollen wegen rechter Pöbeleien noch nicht aufgefallen sein. Die Polizei ließ jedoch die inzwischen hauptverdächtige Frau fälschlicherweise ziehen. Sie soll die drei Männer angestachelt haben.

Nach den Vorfällen in der Straßenbahn 112 am Samstagabend in Styrum haben die Ermittlungen der Polizei inzwischen ein genaueres Bild ergeben. An der Haltestelle Willy-Brandt-Schule hatten zwei junge Mülheimer (22, 23) sowie ein 27-jähriger Oberhausener, die mit einer Frau (23) aus Mülheim und zwei Hunden in der 112 unterwegs waren, vier Mülheimerinnen mit Migrationshintergrund beleidigt und ihnen den „Hitlergruß“ gezeigt.

Der Straßenbahnfahrer hatte nach Aussage der MVG um 21.14 Uhr die Pöbeleien als „Bedrohung und Gefährdung“ im Fahrzeug an seine Leitstelle gemeldet, worauf diese die Polizei alarmiert hatte. Die Bahn, die in Richtung Stadtmitte unterwegs war, stand bis etwa 22 Uhr an der Haltestelle, bis der Polizeieinsatz beendet war.

23-Jährige soll Pöbeleien angezettelt haben

Weil sich im Bereich der Haltestelle auch viele Jugendliche aufgehalten hätten, sei es zu dem großen Auflauf von Schaulustigen gekommen, so die Polizei. Viele Schaulustige hätten sich über den Vorfall aufgeregt, einige hätten sogar aggressiv reagiert und seien von den Beamten weggeschickt worden.

Augenscheinlich war die 23-jährige Frau, die am Samstagabend erst einmal nicht mit den Polizeibeamten zur Wache gehen musste, nun doch an den Pöbeleien in der Tram beteiligt, soll sie gar mit angezettelt haben, sagte eine Polizeisprecherin am Montag.

Noch nicht wegen ausländerfeindlicher Taten aufgefallen

Inzwischen ist noch offen, ob der 23-Jährige, der mit dem 27-Jährigen eine Nacht im Polizeigewahrsam zum Ausnüchtern verbracht hatte, an den Beleidigungen beteiligt war, hieß es am Montag. Beide junge Männer waren sehr stark alkoholisiert, hatten laut Polizei Alkoholblutwerte um etwa zwei Promille.

Rechte Szene in Mülheim

„Nicht jeder, der eine komische Frisur trägt, hat ein rechtes Gedankengut“, gibt Enver Sen zu bedenken.

„Es gibt eine rechte Szene in Mülheim“, bestätigt Helmut Herrmann vom VVN-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten in Mülheim. Sie seien etwa in Broich zu finden. Noch seien sie zurückhaltend. „Es fehlt ihnen an Masse“, glaubt Herrmann, daher würden sie zu Veranstaltungen meist Rechte aus anderen Städten „herankarren“.

Die vier jungen Leute sind zwar der Polizei wegen anderer Straftaten wie Drogen- oder Eigentumsdelikten bekannt gewesen, aber bisher nicht wegen rechtsradikaler Taten oder Ausländerfeindlichkeit aufgefallen. Dennoch ermittelt weiterhin der Staatsschutz wegen Volksverhetzung und wegen des „Hitlergrußes“, den der 22-Jährige gezeigt haben soll. Solche Verstöße fasst der § 86 a Strafgesetzbuch zusammen, der das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verbietet.

Hohe Dunkelziffer bei Diskriminierung

Mit Sorge sieht der Integrationsratsvorsitzende Enver Sen auf den Vorfall: „Darf das Zusammenleben von Migranten und Deutschen wieder offen von Rechten in Frage gestellt werden?“, warnt Sen davor, dass solche Taten überhand nehmen und Diskriminierung wieder zum Alltag gehören könnten. Nach seiner Erfahrung gebe es mehr Fälle als bekannt seien. Vielen Migranten falle es schwer, darüber zu sprechen, so Sen: „Denn dann heißt es wieder: ‘Die wollen nur Aufmerksamkeit.’“