Mülheim. .

Auch im Außergewöhnlichen ist immer ein wenig Alltag: So wird für Lothar Tönshoff der Einmarsch der Amerikaner am 11. April 1945 immer mit Gemüseeintopf verbunden sein.

Denn während er als Siebenjähriger mit Mutter, Bruder und Schwester im Broicher Bunker ausharrte, wurde eben diese in Kriegszeiten besondere Köstlichkeit aus dem Topf vom heimischen Herd geklaut.

Mangelndes Geschichtswissen

Für Lothar Tönshoff ist der Schuldige klar: „Für mich bleiben die Amerikaner immer diejenigen, die mir die Suppe weggessen haben.“ Diese Geschichte hat er nun niedergeschrieben und mit anderen Zeitzeugenberichten in einem Buch veröffentlicht. „Der Einmarsch“ ist vor allem für Jugendliche geschrieben.

Auslöser waren Berichte über das mangelnde Geschichtswissen des Nachwuchses: Der „beklagenswerte Wissensstand der Jugend, die Hitler für eine Märchenfigur hält“, trieb Lothar Tönshoff um und löste in ihm den Wunsch aus, dem etwas entgegenzusetzen. Und so wählte er, der früher als Redakteur sein Geld verdiente, jenes Mittel, das ihm selbst am nächsten liegt: das Wort. Eine authentische Geschichtensammlung sollte es sein, die auf wissenschaftliche Fachsprache verzichtet. Stattdessen sollte Umgangssprache verwendet werden, sagt Tönshoff: „Ich habe den Autoren gesagt: Ihr müsst plastisch und lebendig schreiben. Die Geschichte muss den Leser fesseln. Das war Voraussetzung, um ins Buch zu kommen.“

Geschichten aus dem Alltag

13 Autoren steuerten am Ende Texte bei, die mit dem Einmarsch der Alliierten verbunden sind. Auch wenn alle Autoren aus Mülheim stammen, spielen nicht alle Beiträge an der Ruhr. Als Beispiel nennt Lothar Tönshoff Erlebnisse Egon Schweers’, die sich kurz vor Kriegsende in Sachsen zutrugen: Die Familie reiste damals aus Furcht vor den Russen wieder gen Mülheim, als die SS den Zug stoppte den 17-jährigen Bruder zwangsrekrutieren wollte. „Die Mutter wurde zur Furie“, fasst Tönshoff das Beschriebene zusammen und ist beeindruckt vom unheimlichen Mut der Frau.

Bombenhagel auf Mülheim

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Schmähungen von Briten, Hilfsbereitschaft von Amerikanern und Verblendung von Deutschen werden anderen Texten u.a. beschrieben. Es sind Geschichten aus dem Alltag, die die Kinder von einst bewegten, und die ihnen im Gedächtnis blieben. Wie es für Lothar Tönshoff eben der Eintopf ist, den er nie aß, und die Flak, die Amerikaner damals vors Schloß Broich stellten. Auch erinnert er sich, wie er die „100 Meter von unserem Haus bis zum Bunker“ lief und schon die Tiefflieger von hinten nahen hörte. „Sehr lebendige Erinnerungen“ hat der heute 75-Jährige an die letzten Kriegstage. Diese möchte er mit Jugendlichen teilen, damit die Erinnerung lebendig bleibt.