Mülheim.

Amseln, die Handymelodien nachträllern. Krähen, die mit großen Hamburgerresten im Schnabel über den Bürgersteig hüpfen – die Stadt ist ein Ökosystem, das immer mehr Wildtiere zu nutzen wissen. Ein Phänomen, das bundesweit beobachtet wird. Große Themen sind und waren die Wildschweine, die Berlin bevölkern (und dort manche Stellen verwüsten) oder Kassel, die „Waschbären-Hauptstadt“.

Doch gerade im Ruhrgebiet entstand durch die vielen Industriebrachen wie in kaum einem anderen Ballungsraum eine so reiche Artenvielfalt. Martin Schlüpmann, Mitarbeiter der biologischen Station westliches Ruhrgebiet, weiß auch warum: „Industriebrachen sind im Gegensatz zu Landwirtschaftlich betriebenen Flächen nicht gedüngt“. Die Vegetation ist dadurch üppiger und bietet Tieren nahrungsreichen Lebensraum.

Nach dem Motto „weniger ist mehr“ leben die Kreuzkröten auf der Deponie in Mülheim. „Sie brauchen offene Strukturen und laichen in Pfützen ab.“ Wenn die Pfützen austrocknen hat der Nachwuchs das Nachsehen. „Dafür gibt es in der feuchten Wetterperiode eine hohe Ausbeute, weil Fressfeinde in der Pfütze fehlen“, erklärt Schlüpmann. Amphibien und Reptilien nutzen Industriebrachen, viele Vogelarten fühlen sich mitten in der Innenstadt wohl. Beispiele für wilde Vögel, die jetzt das Ökosystem Stadt besiedeln, sind die Amsel (Turdus merula) aus der Familie der Drosseln und die Elster (Pica pica) aus der Familie der Rabenvögel.

Die „Gesundheitspolizei“

„Die Amsel war früher ein reiner Waldvogel und hat sich der Stadt nun richtig gut angepasst“, sagt Thomas Brüseke vom Naturschutzbund Ruhr. Der Elster kommt vor allem ihre Intelligenz zugute. Rabenvögel werden auch als die Gesundheitspolizei bezeichnet: „Sie fressen Aas und eben auch den Müll, den wir Menschen achtlos auf den Boden werfen“, betont der Biologe Brüseke.

Der Lebensraum Stadt bringe das Amselmännchen auch dazu, das Gesangs-Repertoire aufzufrischen. Befindet sich in der Nähe des Brutstandorts ein Bürogebäude in dem häufig das Telefon schellt, baut er die Melodie in seinen Gesang ein. Brüseke sieht darin ein ganz klares Balzverhalten: „Damit zeigt er dem Weibchen, wie toll er ist.“ Abseits der Vögel, die sich in Menschennähe recht wohlfühlen, erschließen sich auch Säugetiere ihre Reviere in der Stadt. Besonders Steinmader und Fuchs sind in Mülheim zu sehen.

"Co-Existenz durchaus möglich"

Naturschützer Brüseke sieht Füchse in der Umgebung der Engelbertus-Kirche oder auf dem Altstadtfriedhof. Im Speldorfer Bereich sei die Fuchs-Population eine Zeit lang besonders hoch gewesen. „Das sind oftmals keine besonders hübschen Exemplare.“ Der Stress und das Nahrungsangebot in der Stadt sei ihnen anzusehen.

„Eine Co-Existenz zwischen Mensch und Tier ist durchaus möglich“, meint Brüseke. Probleme - wie in anderen Großstädten - gebe es in Mülheim mit Wildtieren nicht, bestätigt auch Sylvia Waage vom Grünflächenmanagement. „Es sind uns keine Schäden gemeldet worden.“