Mülheim an der Ruhr. .

Fast hatte man es in diesen Tagen vergessen: Es gibt noch Kultur jenseits des Karnevals. Auf dem Höhepunkt des närrischen Treibens präsentierte sich am Wochenende die Premiere des Tanztheater-Stücks „Zwei Flüsse“ im Ringlokschuppen als echtes Kontrastprogramm.

Still, leise, bedächtig, unaufdringlich, unspektakulär – die sehenswerte Performance um das Thema Wasser kommt ganz anders daher als der herrschende Zeitgeist, als die Endloskette ewig gleicher Prunksitzungen und Karnevalsumzüge. Die 15 Mülheimer und 12 Wuppertaler Akteure zeigten das Wasser in all seinen Facetten, mit tänzerisch-schauspielerischen Mitteln, einfachen Figuren und Bewegungen, stilsicher und treffend.

Flüsse prägen ihre Anwohner

Es lag nahe, dass sich die Wuppertaler mit „ihrer“ Wupper, die Mülheimer mit „ihrer“ Ruhr auseinandersetzen. Beide Flüsse prägten, beeinflussten die Geschichte der Städte und ihrer Bewohner. So setzen sich die Mülheimer, ganz in blau und grau gekleidet, in zwei Reihen gegenüber, befragen ihr Gegenüber nach der Ruhr, ihrer natürlichen Schönheit, ihrer Wasserqualität oder auch dem Wassermuseum Aquarius in Styrum.

Die Wuppertaler gehen dagegen schon etwas didaktischer an das Thema Wasser, lassen zwei Frauen im Kanon über Länge, Breite und Tiefe der Wupper, über ihre Quelle und Mündung referieren, listen vollständig ihre Talsperren auf.

Händewaschen und Gurgeln

Dann erweitern die Mülheimer Tänzer und Schauspieler ihren lokalen Horizont, zeigen das Wasser, den Regen als Lebenselixier, ohne das alles Leben auf dem blauen Planeten nicht denkbar ist. Pflanzen, Tiere, Menschen bestehen größtenteils aus Wasser. Aber diese flüssige Mischung aus Wasser- und Sauerstoff, kurz H2O, dient auch als Lebensmittel: nicht nur zum Trinken, sondern auch zur Reinigung des Körpers.

So waschen sich die Mülheimer nach allen Regeln der Kunst die Hände, bevor sie ihre Körper reinigen. Ganz ohne Wasser, pantomimisch. Wenn die Mülheimer im Chor gurgeln, dazu im Takt mit ihren Teelöffeln rhythmisch gegen rote Tassen schlagen, wenn sie mit ihren Saugglocken den Stau in der Toilette lösen und dann geräuschvoll abspülen, beweisen sie auch Humor. Wasser kann auch banal sein, in ganz profanen Situationen hilfreich sein…

Alles ist im Fluss

Dagegen anverwandeln die Wuppertaler das Wasser schon etwas ambitionierter. Ganz in existenzialistisches Schwarz gehüllt, suchen sie nach der philosophischen Bedeutung des kostbaren Nasses, heben es auf eine metaphysische Ebene. Da zeigen die Wassermoleküle ihre flüchtige, vergängliche Individualität, irren als lebendige Elementarteilchen über die Bühne, suchen ständig nach ihrem Platz im Fluss, im See, im Gewässer, gruppieren sich zu diesem Zweck immer wieder neu.

Panta rhei, alles ist im Fluss - nicht nur in den Flüssen, deren Wellenbewegungen die Darsteller gekonnt in Szene setzen, sondern in der ganzen Natur, im gesamten Leben. Auch die unterlegte Musik ist passend elegisch-fließend.

Der Wasserkreislauf ist geschlossen

Und schließlich, nach sechzig Minuten, kommt es, wie es kommen muss: Alle Flüsse, auch die Wupper, auch die Ruhr münden in größere Flüsse. Und die streben gewaltig, unaufhaltsam und gesetzmäßig dem Meer, dem Ozean zu. Dessen Schönheit, aber auch dessen Gefahren verbildlichen die Akteure, oft nur mit sparsamen und angedeuteten Bewegungen. Der Wasserkreislauf ist geschlossen, der Lebenszyklus beendet.

Am Ende steht das vielsagende Wort „Unendlichkeit“, gesprochen und an die Leinwand projiziert.