Mülheim. .

Verödende Innenstädte sind ein Aufreger und Thema, das polarisiert, an dem sich die Geister scheiden. Die Entwicklung des urbanen Raumes fand in Mülheim mit Projekten wie „Schlimm City“ und „Ruhrzilla“ schon öfter den Weg in die Kultur.

Zum Einstand ihrer zweijährigen Residenz in Mülheim und der Kooperation mit dem Ringlokschuppen präsentierte nun die Gruppe „copy & waste“ ihre neue Produktion „Einsatz hinter der V.ierten Wand“. Dabei hat das Theaterkollektiv getreu seinem Namen vielfach kopiert und mächtig herausgeschleudert.

Auf der Suche nach V.

Dafür ist Autor Jörg Albrecht quer durch die Weltgeschichte gesprungen und bedient sich der Zitate aus Literatur, Kunst, Philosophie und Wissenschaft ausgehend vom Roman „V.“ des amerikanischen Schriftstellers Thomas Pychnon. Wie seine chaotischen Romanhelden Benny Profane und Herbert Stencil, die auf der Suche nach einer Frau namens „V.“ sind, irrt das Ensemble durch Mülheim und die Welt, um Dramatisches im postindustriellen Raum vorzufinden: aussterbende Städte im neoliberalen Kapitalismus mit Stadtentwicklungsprojekten wie „Flip und Flop“, von denen nur ein Einkaufszentrum überleben wird. Die rasante Inszenierung (Regie: Steffen Klewar) scheut weder Mittel wie Videos, Live-Musik und Kunstnebel, knallender Traktor und krachende Holzwände noch den ganzen Körpereinsatz des sechsköpfigen Ensembles: Elena Garcia Gerlach, Janna Horstmann, Silvia Medina, Lise Wolle und Sebastian Straub spielen nahezu 40 Figuren.

Sie nehmen den Zuschauer mit, auch wenn der überhaupt rätselt, wohin diese Reise geht: abgefahren. Nur so viel ist klar: Man ist zwischen Mülheim und China auf der Suche nach verlorenen Städten, erkalteten Herzen, strukturschwachen Gesprächen und geldgeilen Machern. Die Tragik entbehrt keiner Komik, wenn der Chor der Frauen die „Pracht der Palazzi“ proklamiert. Das Ganze ist mit Lokalkolorit angereichert: Von Ruhrbania geht’s über die Hochhaus-Skyline bis ins Forum-Parkhaus, wo virtuell rosa Flamingos abgeknallt werden. Das Textflächen-Theater sprudelt nur so über vor Wort-Kaskaden und Zitaten. Vom geballten „Einsatz hinter der V.ierten Wand“ ist das Publikum mitunter überfordert. Es sind die amüsanten Momente, die diese Inszenierung auflockern. Wie auch die wunderbare Live-Musik nebst Gesang von Matthias Grübel. Auch wenn Theater keine Lösung aus der Misere aufzeigen kann, so klingt der Satz doch versöhnlich: „Trink dein Mölmsch und erzähl’ mir von der ganz großen Liebe.“