Mülheim. . Raser werden auch in diesem Jahr verstärkt damit rechnen müssen, rote Blitze zu sehen oder von Radarpistolen ins Visier genommen zu werden. Und mit dem Argument ungenauer Messungen ist in Mülheim nun auch Schluss.
Schlechte Zeiten für Temposünder kündigt die Polizei an. Nicht nur, dass die Zahl der Tempoüberwachungen auch 2013 hoch bleiben wird.
Erwischte Fahrer werden sich zudem nur noch sehr begrenzt mit dem Verweis auf ungenaue Messungen aus der Zahlungspflicht winden können: „Wir kriegen keine fehlerhaften Messungen mehr“, sagt Hauptkommissar Detlef Bardeck, Leiter der Führungsstelle in der Mülheimer Verkehrsdirektion der Polizei, über die Neuerwerbung mit dem Namen „ESO 3.0“.
Keine "Wunderwaffe"
Im Dezember haben sich Experten des Verkehrsdienstes auf die Teile der 150 000 Euro teuren Anlage beim Hersteller am Bodensee einweisen lassen und das gute Stück dann nach Mülheim geholt. Von einer „Wunderwaffe“ will Ralf Bury nicht sprechen. Aber der Erste Polizeihauptkommissar und Leiter des Verkehrsdienstes zählt gerne auf, was die neue Anlage besser macht als die Radarmesser vom Typ Multanova.
Sie besteht aus einem Sensorsystem, einer Messkamera, einer zuschaltbaren Zusatzkamera und der in einen Vito-Kleintransporter eingebauten Computertechnik. Sie kann damit, anders als Radar, in beide Richtungen blitzen, technisch gesehen mehrere Fahrspuren sicher überwachen und in Kurven blitzen. Vor allem aber - Motorradfahrer aufgepasst - kann die Zusatzkamera per Funk zeitverzögert auslösen. Damit bekommt die Polizei jetzt auch die Motorrad-Kennzeichen am Heck der Maschinen aufs Bild. Nebenbei kann die Zusatzkamera mit Fotos vom Fahrer durch die Seitenscheibe auch die Frage klären, wer denn nun wirklich am Steuer gesessen hat. Bei den normalen Radarmessungen von rechts vorn hat der Fahrer ja die Chance, sein Gesicht hinter einem Navigationsgerät oder der berühmten CD am Spiegel zu verbergen.
Standardisierte Messverfahren
Vor allem aber ist ESO 3.0 die Mülheimer Antwort auf die Debatte um die Messfehler-Debatte, wie sie zuletzt beim Verkehrsgerichtstag in Goslar geführt wurden. Ein eigener Arbeitskreis hatte einen Katalog von Anforderungen aufgelistet. Da steht drin: „Eine Aus- und Fortbildung des Messpersonals ist zwingend erforderlich“ („Machen wir“, sagt Bury). Messprotokolle müssten her („Haben wir“, sagt Bury). Und: „Standardisierte Messverfahren erfordern eine Foto- oder Videodokumentation („Machen wir“, sagt Bury).
Durch ein Urteil des Oberlandesgerichts Zweibrücken zusätzlich gestärkt, will die Polizei die Zahl der Kontrollen hoch halten. Bardeck: „Jeder Unfall, den wir durch unsere Kontrollen vermeiden, ist den ganzen Aufwand wert.“
Richterlicher Segen für das Messverfahren „ESO 3.0“
Ein Rauschen ging durchs Internet als das Amtsgericht Kaiserslautern im März 2012 einen Autofahrer frei sprach, weil das Gericht die Ordnungsmäßigkeit der Messung mit ESO 3.0 nicht nachvollziehen konnte. Bis heute sind die einschlägigen Foren voll davon - obwohl das Urteil in der zweiten Instanz mit einer Klatsche für die Amtsrichter kassiert wurde. „Rechtsfehlerhaft“ sei es, urteilte das Oberverwaltungsgericht Zweibrücken im Oktober. Begründung: „Die mangelnde Kenntnis der genauen Funktionsweise (...) begründet keine rechtliche Unverwertbarkeit der Ergebnisse.
Die genaue Funktionsweise von Messgeräten ist den Gerichten auch in der Rechtsmedizin nicht bekannt, ohne dass Zweifel an der Verwertbarkeit von Gutachten aufgekommen wären, die auf diesen Messergebnissen beruhen.“