Mülheim-Speldorf. .
Musik ist ihr Leben. Ihr Leben ist Musik. Wer miterlebt, mit welcher einfühlsamen Hingabe und ansteckenden Energie Elisabeth Kropp am Flügel sitzt und ihre Finger behände über die Tastatur gleiten, begreift sofort, warum die 98-Jährige noch so agil ist, begreift, dass die Musik sie trägt und ihr absolutes Lebensmotto deswegen gewiss nicht kitschig ist: „Ohne Musik wäre mein Leben ein Irrtum.“
Elisabeth Kropp sitzt in ihrem gemütlichen Apartment im Wohnstift Uhlenhorst auf der Couch, den blank polierten Flügel, der selbstverständlich das Zentrum des Wohnzimmers bildet, immer im Blick. Und wenn die frühere Klavierlehrerin aus ihrem bewegten und bewegenden Leben berichtet, rückt immer wieder die Musik im Allgemeinen und das Klavierspielen im Besonderen in den Mittelpunkt ihrer Erzählungen. Freud und Leid, Triumphe und Trauer – das Klavier gab ihr Halt und war der sicherlich treueste Begleiter in ihrem so langen Leben.
Die Begabung war ihr in die Wiege gelegt
Die Begabung war ihr freilich in die Wiege gelegt. Denn schon mit sechs Jahren wurde sie zum Klavierunterricht angemeldet. „Mit meiner Schwester übte ich täglich vierhändig“, erinnert sich Kropp, „am Anfang konnte meine Schwester besser spielen als ich. Aber es dauert nicht lange, da hatte ich sie überholt.“
Zu dieser Zeit wuchs sie in Dortmund -Kley auf, wo sie ihr Vater mit zehn Jahren am Konservatorium anmeldete. Schnell wurde dort ihr Talent entdeckt und gefördert. Dass ihre Eltern in der Lage waren, ihr einen Flügel zu kaufen, befeuerte ihre für damalige Zeiten ungewöhnliche Karriere entscheidend.
Unterricht für Kinder und Jugendliche
Mit 15 gab sie bereits ihr erstes größeres Konzert im Dortmunder Rathaussaal. „Zu meiner großen Freude wurde ich vorgeschlagen, das Klavierkonzert von Mozart C-Dur 1 Satz zu spielen.“ Den rauschender Beifall sog sie da erstmals so richtig auf.
Auch die schlimmen Kriegsjahre konnten ihren Drang nach musikalischer Perfektion nicht bremsen. Und nach dem Examen als Klavierlehrerin unterrichtete sie zahlreiche Kinder und Jugendliche. 1938 wurde sie dann für ein Konzert in einem Soldatenheim im französischen St. Germain gewonnen – ein wahrhaftig schicksalhaftes Engagement, denn dort lernte sie ihren späteren Mann kennen, den sie im Januar 1944 heiratete.
Umzug mitsamt Flügel
1946 zog die junge Familie mit der gerade geborenen Tochter nach Duisburg, nahe der Mülheimer Grenze. Auch dort baute sie sich schnell einen Stamm von Schülern auf, die sie viele Jahre unterrichtete. Der Tod ihres Mannes 1997 ließ ihren Entschluss reifen, ein Jahr später ins Evangelische Wohnstift Uhlenhorst zu ziehen – mitsamt Flügel. „Hätte ich den nicht mitnehmen können“, lächelt Elisabeth Kropp, „wäre ich hier nicht eingezogen.“
In der gehobenen Seniorenresidenz am Broicher Waldweg in Speldorf startete sie erneut eine beachtliche musikalische Karriere. Schnell wurden Frauen- und Männerchöre auf Kropps brillantes Spiel aufmerksam, alsbald begleitete sie die Chöre, die regelmäßig im Wohnstift auftraten, und gab zudem kleine Konzerte.
Auch von ihrer Sehschwäche ließ sie sich nicht unterkriegen
Selbst der einschneidende 7.7. 2007 konnte sie nicht aus der Bahn werfen. Genau an jenem Tag ließ nämlich ihre Sehkraft urplötzlich rapide nach. In den folgenden Wochen wurde es immer schlimmer, mittlerweile ist sie auf dem linken Auge nahezu blind, auch das rechte tut’s kaum noch.
Doch in ihrer ureigenen kämpferischen Art ließ sich Elisabeth Kropp, die Texte mittlerweile nur noch mit einer Leselupe studieren kann, nicht unterkriegen, arrangierte sich schnell mit dem Handicap – und machte am Klavier weiter. „Gut, dass ich ein großes Repertoire an Stücken habe, die ich alle auswendig spielen kann.“
Mitbewohner sind begeistert
„Es ist schon großartig, wie sie immer wieder alle Schicksalsschläge meistert und weiterhin so schön Klavier spielt“, sagt ihr Partner Günter Schneider, „zumal sie ja auch nicht mehr gut hören kann.“ In der Tat: Nach wie vor begeistert Kropp ihre Mitbewohner mit ihrer Kunst, spielt zum Beispiel mit zuverlässiger Regelmäßigkeit nach den Gottesdiensten noch ein knappes Stündchen für ihre zahlreichen „Fans“ im Wohnstift.
„Ich hoffe, dass ich noch lange daran Freude finde“, sagt Elisabeth Kropp, „am Flügel zu sitzen und die Werke der großen klassischen Komponisten zu interpretieren.“ Das hoffen alle im Wohnstift.