Mülheim. .
Weihnachten ist das heilige Fest der Liebe – und das des heillosen Konsums. Für viele Lebensmittelhändler ist der Dezember der absolute Höhepunkt des Jahres. Die Lager sind rappelvoll, gearbeitet wird selbst nachts und an so manchem Sonntag. Erst, wenn sich an Heiligabend die Türe hinter dem letzten Kunden schließt, heißt es für die Mülheimer Geschäftsleute: Stille Nacht, Heilige Nacht.
Vier Tage bis zum Heiligen Abend
Der Countdown läuft, noch sind es vier Tage. Vier Tage, an denen das Geschäft brummt. Zum Beispiel in „Jacques’ Weindepot“ am Kassenberg. Für den Endspurt wurden am Mittwoch früh noch mal 17 Paletten angeliefert, mit je bis zu 600 Flaschen Rebsaft. Ruhen an normalen Tagen etwa 10.000 Flaschen Wein im Lager, sind es in den letzten Wochen des Jahres dreimal so viel.
Bis zur letzten Minute noch einkaufen
Die allermeisten, die jetzt kommen, suchen edle Tropfen für ihre Festtafel oder schnell noch ein Geschenk. Bis zur letzten Minute, sprich bis 12.59 Uhr an Heiligabend, werden die Kunden in den Laden rauschen. So ist’s stets gewesen , so wird’s wieder sein. Das zahlt sich aus für Chef Andreas Walter: Er freut sich im Dezember über „das Vier- bis Fünffache an Umsatz“.
Kai Scholand, Inhaber vom Rewe-Markt an der Essener Straße, hält ebenfalls imposante Zahlen – bezogen auf jeweils eine Sorte des Artikels – parat: Frischer Kloßteig verkauft sich zwischen Januar und November nur 120 Mal monatlich – im Dezember ziehen die Kassierer 900 Pakete über den Scanner. Auch norwegischer Lachs geht bestens vor dem Feste: Anstelle von 100 gehen 400 Packungen raus. Mascarpone für Tiramisu und andere Leckereien verkauft sich sechsmal, Rotkohl im Glas gar siebenmal so gut. In Scholands Laden sagen sie oft aus Spaß: „Die Kunden denken, nach dem Fest gibt’s hier nix mehr.“ Und da ist noch etwas, das die Belegschaft amüsiert: „An Weihnachten läuft auch Toilettenpapier besonders gut. Normalerweise rechnen wir mit 180 Zehnerpacks monatlich, jetzt mit 480 Packs“, sagt Kai Scholand.
80 Prozent wussten schon früh, was sie kochen werden
Zum Glück wüssten 80 Prozent der Kunden schon früh, welches Menü sie zaubern wollen. „Dadurch entzerrt sich der Ansturm.“ Gemüse, Obst, Milch, Fleisch und Wurst aber landen erst kurz vor den Feiertagen im Einkaufswagen. Da hat dann so mancher Glück, der die altbekannte Devise beherzigt: Der frühe Vogel fängt den Wurm.
Reh, Hirsch, Wildschwein
Wem der Sinn eher nach Reh, Hirsch oder Wildschwein steht, der ist wird in der Fleischerei Nieß an der Honigsberger Straße fündig. „Das sind Spezialitäten, die jetzt besonders gefragt sind“, erklärt Inhaber Frank Nieß. Erst recht, wenn das Fleisch aus heimischen Wäldern stammt. „Den Kunden ist das wichtig.“ Qualität spiele gerade zum Fest eine Rolle. Ob edles, am Knochen gereiftes Rindfleisch, zartes Kalbfleisch oder das klassische Schweine- bzw. Rinderfilet: „Jetzt leisten die Menschen sich so etwas gerne.“ Was auch bedeutet: Allein vom Filetfleisch muss Nieß zehnmal so viel vorrätig haben wie an anderen Tagen. Der vierten Adventssonntag fällt also flach, „wir arbeiten durch“.
Aufs Beine hochlegen freut sich auch Klaus Buers. Dem Obst- und Gemüsehändler vom Oppspring stehen lange, harte Tage bevor: „Ich fahre um 2 Uhr zum Großmarkt und bin erst abends um 20 Uhr wieder zu Hause.“ Im Schnitt hat er zurzeit vier Stunden weniger Freizeit am Tag. Rote Äpfel, Orangen, Clementinen zählen zu den Fest-Rennern in Buers’ Laden. Die landen zumeist auf den traditionellen Tellern unterm Baum. „Sie sind so wichtig, wie die Eier zu Ostern.“
Kaum ein Haushalt ohne Baguette
In der Alten Dorfbäckerei im Herzen von Saarn ist der Dezember ebenfalls der umsatzstärkste Monat im Jahr: „Wir verkaufen zurzeit doppelt so viel wie sonst“, sagt Filialleiterin Valentina Jovanovska. Das liegt am Weihnachtsgeschäft und an Silvester. Und vor allem am Nikolausmarkt: „Unser bester Tag im Jahr.“
Begehrt sind um diese Jahreszeit Spezialitäten wie Stollen, Spekulatius, Berliner Brot, Printen und Zimtsterne.
Und dann gibt’s da noch eine Fest-Nachricht aus der Bäckerei, die auch Franzosen gefallen dürfte: Kaum ein Haushalt in Mülheim kommt an den Feiertagen ohne Baguette aus. Hundert Stangen der unterschiedlichsten Art gehen locker noch raus am frühen Heiligabend, so Jovanovska. Das sind zehnmal so viele wie an anderen Tagen. Zum Glück sind die meisten Brote vorbestellt; und außerdem haben die Mitarbeiter ein System ausgeklügelt, mit dem sie der Baguette-Flut Herr werden können. Ab 5 Uhr in der Früh tüten sie die Stangen ein, sortieren sie sorgfältig – und sind so bestens gewappnet, wenn der Ansturm beginnt.