Mülheim. Über eine Job-Vermittlung war dem gelernten Koch Manuel Koch ein Stellenangebot in der “Kortum-Stube“ in Mülheim vermittelt worden. Einen Monat hat der 29-Jährige für das Traditionslokal gearbeitet, bis ihm mündlich gekündigt wurde. Ein Gehalt wurde ihm bis heute nicht gezahlt.

Koch – der junge Mann, arbeitssuchend, heißt nicht nur so, es ist auch sein erlernter Beruf, den er gerne wieder ausüben würde. Obwohl die Erfahrungen mit seiner letzten Stelle mies waren: In der inzwischen geschlossenen Kortum-Stube wurde Manuel Koch nicht bezahlt.

Das Stellenangebot im Traditionslokal an der Kettwiger Straße habe er über die JobService GmbH bekommen, sei nach dreiwöchigem Praktikum zum 1. April 2012 eingestellt worden. „Alles lief gut“, berichtet der 29-Jährige, „bis ich von Kollegen mitbekommen habe, dass unser Chef gar nicht zahlen kann.“ Einen Monat lang habe er dort ­gearbeitet, auch während der Osterfeiertage. Ende April wurde ihm dann mündlich gekündigt.

„Bis heute warte ich auf mein Gehalt“

„Bis heute warte ich auf mein Gehalt, Papiere und eine schriftliche Kündigung“, klagt der Vater einer zweijährigen Tochter. Auch Sozialabgaben seien nicht bezahlt worden. Immerhin: 800 Euro Arbeitslosengeld habe er inzwischen für die Zeit erhalten, mit mehr rechnet er kaum noch. Der ehemalige Arbeitgeber, der in Mülheim wohne, „öffnet nicht, wenn der Gerichtsvollzieher bei ihm zu Hause klingelt“.

Manuel Koch, der zuvor ein Dreivierteljahr ohne Job war, hatte sich „sehr gefreut, einen neuen sicheren Arbeitsplatz zu haben“. Nun sucht er wieder. Bei der Mülheimer JobService GmbH, die die Stelle in der Kortum-Stube vermittelt hatte, möchte man zu dem Fall mit Verweis auf den Datenschutz keine Stellung nehmen.

Erfolgreich geklagt

Vier von Kochs ehemaligen Kollegen haben dagegen vor dem Arbeitsgericht Oberhausen erfolgreich geklagt, um ausstehende Löhne für zwei oder drei Monate zu bekommen. Da ihr Ex-Chef zu den Verhandlungen nicht erschien, gab es drei Versäumnisurteile, erklärt Anne Hennemann, Sprecherin des Arbeitsgerichtes. Der ehemalige Pächter muss zahlen. Drei weitere Verfahren gegen ihn laufen noch.

Die Geschichte des seit Sommer geschlossenen Traditionslokals in der Mülheimer Altstadt spielt sich momentan vorwiegend vor Gericht ab. Gegen den früheren Betreiber geklagt hat auch Ilse-Marie Breyer-Langenscheidt, Besitzerin des Fachwerkhauses an der Kettwiger Straße, die es „sehr bedauerlich“ findet, dass die Angestellten nicht bezahlt wurden. Sie sagt: Die Umstände der Pleite „gehen über normale Zahlungsunfähigkeit weit hinaus“. Sie selber müsse „rechtskräftige Urteile abwarten“, ehe sie die Gaststätte in neue Hände geben kann.

Von 1995 bis 2005 bestand ein Vertrag mit einer Brauerei, in dessen Rahmen die Betreiber mehrfach wechselten. Die vorletzten Pächter hatten die Kortum-Stube dann von 2005 bis Ende 2011 geführt.

Dehoga fordert „gastronomischen Eingangsberuf“ 

Auch bei der örtlichen Dehoga als zuständigem Wirtschaftsverband hat man von Missständen in den Kortum-Stuben bereits gehört, ­bestätigt Jörg Thon, Vorsitzender der Kreisgruppe Mülheim. Typisch für das Gastronomiegewerbe sei so etwas jedoch nicht: „Wir haben schwarze Schafe in unserem ­Bereich, aber die gibt es überall.“

Was Jörg Thon allerdings kritisiert: Dass man für den Betrieb eines Restaurants keine besondere Qualifikation vorweisen muss. ­„Voraussetzung müsste sein, dass jemand einen gastronomischen Eingangsberuf erlernt hat, entweder im Service oder in der Küche.“ Auch kaufmännisches Grundwissen sollte unbedingt vorhanden sein.

„Viele Seiteneinsteiger, die es in der Gastronomie trotzdem probieren, stellen schmerzhaft fest, dass es nicht so einfach ist.“

Oft unbezahlte Überstunden - Gewerkschaft vertritt nur Mitglieder

Den Fall, dass Personal überhaupt nicht entlohnt wird, erlebt auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) selten. „Unser täglich Brot ist aber, dass Leute Überstunden nicht bezahlt bekommen oder kein Weihnachtsgeld erhalten“, erklärt Yvonne Sachtje, NGG-Geschäftsführerin für die Region Ruhr.

Die Gewerkschaft vertritt Betroffene auch juristisch, jedoch nur, wenn sie Mitglied sind: „In größeren Betrieben sind die Leute oft besser organisiert als in kleineren, obwohl es hier nötiger wäre“, meint Yvonne Sachtje. Falls allerdings ein Pächter Insolvenz anmeldet, garantiert auch ein Erfolg vor dem Arbeitsgericht keine nachträgliche Lohnzahlung mehr: „Dann haben Sie einen schönen Titel, sehen aber ihr Geld nie wieder.“