Mülheim.

Ein Mann und eine Frau. Sie nennt ihn „Pap“, er sagt „Schatz“. Gestern hat das Paar Polterabend gefeiert, Nachbarn schmückten mit selbstgebundenen Girlanden und kamen zum Umtrunk. „Das ist Tradition bei uns in der Oembergsiedlung“, sagt Vera Rüb. Das Besondere in ihrem Fall: Der Polterabend und am Sonntag auch ihre Vermählung jährt sich zum 60. Mal. Veredelt sich zur Diamantenen Hochzeit.

Vera, eine weißhaarige Dame von 82, zog als zehnjähriges Mädchen in die Siedlung. Ihr späterer Ehemann Siegmund, 84, wuchs in der Nähe auf, „im Wald“. Als Teenager sahen sie sich zum ersten Mal, im Mülheimer Gewerkschaftshaus, wo Vera mit dem Volkschor probte, Siegmund sich mit einer Jugendgruppe traf.

Hochzeitsparty mit 52 Leuten in zwei Räumen

Irgendwann später fragte sie den Bekannten, der Sattler und Polsterer gelernt hatte, ob er bei ihrer Großmutter eine Matratze reparieren könne. Die Oma kommentierte das Erscheinen des Jünglings auf Mölmsch Platt: „Dat ös de Vera ör Karesant“, das ist Veras Verehrer. Sie behielt Recht. Ihr Wort gilt bis heute. Und was die Omi auch freuen würde: Vera pflegt die Mülheimer Mundart als Hobby, unter anderem in einem Kurs an der VHS.

Ihre Hochzeitsparty am 26. August 1952 gaben sie im Elternhaus der Braut, in dem Rübs immer noch wohnen. „Wir haben zwei Zimmer ausgeräumt und mit 52 Personen gefeiert.“ Als das Haus gebaut wurde, umfasste es keine 70 qm Wohnfläche, Siegmund und Vera Rüb haben im Laufe der Jahrzehnte emsig aus- und umgebaut, so dass jetzt 400 qm zur Verfügung stehen, mit Terrasse, Balkon, Blick in einen herrlichen Garten. Zwei ihrer drei Kinder, die zwischen 1954 und 1957 geboren wurden, wohnen mit unter einem Dach. Es gibt auch zwei Enkel, 15 und 17 Jahre jung.

Hauptsache man verdiente Geld

Wenn sie das übliche Familienleben Mitte des 20. Jahrhunderts und heute vergleicht, fällt Vera Rüb auf, „dass die jungen Frauen emanzipierter sind und beruflich gebildet. Sie wollen nicht nur Hausfrauen sein und sind unabhängiger als zum Beispiel unsere Mütter: Die konnten sich gar nicht trennen.“ Beide finden aber auch, dass moderne Paare, „schnell auseinanderrennen“, wenig Durchhaltevermögen beweisen. „Heute im Alter“, meint Siegmund Rüb, „freuen wir uns, dass man zusammengeblieben ist“.

Unruhige Zeiten, die gab es auch in seinem Leben, in der Kriegs- und Nachkriegszeit, als „viele Geschäfte eingegangen waren“, so dass Siegmund als Polsterer und Dekorateur keine Stelle fand. „Ich habe als junger Mann die ulkigsten Sachen gemacht, Staubsauger verkauft oder Lose. Hauptsache, man verdiente Geld.“ Letztlich landete er 1952 als Qualitätsprüfer bei Mannesmann, wo er bis zu seiner Pensionierung Ende der 80er Jahre im Dreischichtbetrieb arbeitete.

Heißmangel im eigenen Haus

Vera erlernte dagegen keinen Beruf. „1943, als die Bombenangriffe auf Mülheim waren, wurde unsere Realschule geschlossen. Später habe ich nicht wieder angefangen. Leider, muss ich heute sagen.“ Gleichwohl war sie intensiv berufstätig: Rübs kauften eine Heißmangel, die sie rund 30 Jahre lang in ihrem Haus in der Oembergsiedlung betrieben. „Der Anfang war sehr schwer“, erinnert sich die ehemalige Geschäftsfrau. „Ich habe oft am Fenster gestanden und mich gefragt, ob wohl heute noch ein Kunde mit seinem Körbchen kommt.“ Später lief es rund, sie hatte mehrere Angestellte und „über 700 Kunden“, als der Betrieb 1999 verkauft wurde.

Dafür arbeitete das Paar aber nicht selten bis spät in die Nacht. „Heute frage ich mich, wie ich das geschafft habe“, sagt Vera Rüb, betont aber auch: „Mein Mann hat mir immer zur Seite gestanden.“ Danach sieht es wirklich aus.