Mülheim. .

Der Bundesumweltminister spricht sich dafür aus, dass die Bürger künftig mehr als den Verpackungsmüll in die Gelbe Tonne werfen können. Tun die das nicht jetzt schon oft genug?

Jürgen Zentgraf: Es ist ja auch schwierig. Man bekommt die Bürger dazu, nach Stoffen zu unterscheiden; aber dass man den Plastikbecher in die gelbe Tonne werfen darf, weil das Verpackungsmüll ist, aber den Plastikeimer nicht, das ist doch schwer verständlich zu machen. Rund 10 Prozent des Mülls in den Gelben Tonnen sind stoffgleiche „Nicht-Verpackungen“. Und Restmüll - der weder in die Gelbe noch die Wertstofftonne gehört - ist auch dabei.

Welche gesetzliche Grundlage wird für eine Wertstofftonne benötigt?

Jürgen Zentgraf: Der Bundesumweltminister müsste gar kein Gesetz machen. Ein Gesetz braucht man nur dann, wenn man so etwas im Rahmen der Produktverantwortung privatwirtschaftlich regeln will. Wir haben ja das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz, das reicht im Grunde aus. Es beinhaltet eine Ermächtigung für die Kommunen, eine Wertstofftonne einzuführen. Wenn der Minister das schnell regeln will, sollte er die Verpackungsverordnung abschaffen und eine Wertstoffverordnung machen, dann ist das automatisch in kommunaler Trägerschaft

Es gibt im Ruhrgebiet Städte, die die Wertstofftonne testen. Ist das in Mülheim auch überlegt worden?

Jürgen Zentgraf: Ja, denn von der Zielsetzung her ist es sinnvoll, dass man Metall, Papier, Glas und Kunststoff getrennt sammelt – unabhängig von der Frage, Verpackung oder nicht. Das steht schon so im Kreislaufwirtschaftsgesetz, ab 2015 ist das sowieso allgemein vorgeschrieben.

Einige Städte versuchen, mit Verhandlungen mit dem Dualen System etwas Gemeinsames auf die Beine zu stellen. Wir haben aber immer gesagt, es ist uns zu risikoreich, zudem gibt es mittlerweile 10 Duale Systeme, die man alle unter einen Hut bringen müsste. Letztlich reden wir von 7 bis 10 Kilo zusätzlich gesammelter Wertstoffe pro Einwohner im Jahr - tatsächlich getrennt gesammelt werden in Mülheim bereits 190 Kilo pro Einwohner und Jahr. Da warten wir lieber konkrete gesetzliche Regelungen ab.

Der Bürger würde eine Wertstofftonne aber sicher begrüßen...

Jürgen Zentgraf: Und es ist ja auch sinnvoll. Bei Kunststoffen kann man noch darüber diskutieren, die werden wir - bis auf Ausnahmefälle - wahrscheinlich nie wirtschaftlich recyceln können. Da muss man immer etwas Geld in die Hand nehmen. Auch da ist es sinnvoll, es geht schließlich um endliche Stoffe. Primär geht es aber nicht um inhaltliche Fragen, sondern um die Frage der Trägerschaft: Wer macht das?

Könnte eine Stadttochter mit dem Recyceln von Wertstoffen nicht auch Geld verdienen?

Jürgen Zentgraf: Man darf im öffentlichen Gebührenbereich keine privatrechtlichen Gewinne einfahren. Die Gebühren sollen so gestaltet werden, dass es Null auf Null aufgeht. Möglicherweise könnte man die Gebühren damit stabilisieren. Was wir als Kommune aber garantieren können, dass man so ein System nachhaltig aufbaut. Denken Sie mal an das Altpapier: Vor 2008 war der Papierpreis relativ hoch, und da gab es immer mal wieder Versuche von privaten Unternehmern, Papiersammeltonnen aufzustellen. Als dann 2008 die Wirtschaftskrise kam, als es sich nicht mehr für die freie Wirtschaft rentierte, sind die Tonnen schnell wieder abgezogen worden und die Kommunen „durften“ wieder tätig werden.