Mülheim. .

Das selbst ernannte „Dorf Saarn“ zählt in Mülheim zu den ersten und begehrtesten Wohn- und Vorzeige-, und Ausgeh-Adressen. Die Flaniermeile mit schickem Flair, die Düsseldorfer Straße, galt bislang mit seiner Mischung aus noch viel inhabergeführten Geschäften, Bedarfsartikeln, exklusiven Läden und Boutiquen als gesund. Doch die dörfliche Idylle scheint nun ein bisschen zu bröckeln. Alles andere als nur die Schokoladenseite.

In Schokolade, Trüffel und Pralinen versteht Patisserie-Meister Lothar Buss sein Handwerk. Mit bedeutenden Auszeichnungen wurde er ruhmreich überzogen und genießt in süßen Gourmet-Zirkeln überregional einen hervorragenden Ruf. Doch jetzt ist es für den Chocolatier bitter geworden. Denn ausgerechnet im feinen Saarn, wo er an der 1A-Adresse Düsseldorfer Straße 93 vor gut einem Jahr einen „Chocolate Room“ eröffnete und daneben mit dem „Sanetti“ eine Espresso-Bar anschloss, hat er die Kündigung vom Hauseigentümer bekommen. Er musste erfahren, dass das harte Business eher Blockschokolade als Champagner-Trüffel ist.

Geschäft wäre ausbaufähig gewesen

Schlimmer noch, „bei laufendem Betrieb wurden die Schlösser ausgetauscht“, sagt Lothar Buss. Der Grund: Mit der Miete „bin ich in den Rückstand geraten“. Bei Gesprächen, bei Vorschlägen von Nachfolgern und Einsteigern habe er beim Hauseigentümer auf Granit gebissen, so Buss. Mittlerweile „verkehren wir nur noch über Anwälte“. Ausgerechnet in Saarn, „wo alles so wunderbar anlief“, bedauert der Schokoladenmeister. „Dabei sind die Saarner ein so tolles Publikum“.

Dass die Ladenmieten an der Saarner Flaniermeile hoch sind, kann man sich denken. Um sich dort etwas aufzubauen, „habe ich viel Zeit, Eigenleistung und jede Menge Geld investiert“, bedauert Buss. Und dann doch nicht die Kurve gekriegt. Ein Geschäft an einem Standort fest zu etablieren, „das ist eine Sache, die Zeit braucht“, sagt Buss. Und im „Dorf“ habe er sich zwar noch in der Aufbauphase befunden, aber habe bereits gemerkt, dass das Geschäft „ausbaufähig gewesen wäre“.

"Zeit für Veränderungen"

Die Düsseldorfer Straße war nur eine von drei Standorten. Sein Stammhaus hat Buss in Speldorf an der Friedhofstraße, wo er nach wie vor produziert, zudem Seminare und Kurse anbietet. Einen weiteren „Chocolate Room“ eröffnete er 2009 in Essen an der Rüttenscheider Straße. Die beiden anderen Standorte „laufen ganz normal weiter“. Die Schließung der Läden in Saarn mache ihn neben dem Verlust „ganz schön traurig“, sagt Buss: „Aber es wird schon weitergehen.“ Schließlich wäre er nicht soweit in der Pralinen-Branche gekommen, wüsste er nicht, wie formbar und flexibel so manches im Leben ist.

Das Gegenteil von feiner Schokolade ist wohl die deftige Küche mit Kotelett und Bratkartoffeln. So etwas gab’s im „Schneider Wibbel“, einem Traditionsgasthaus im alten Fachwerkgemäuer an der Düsseldorfer Straße. Ella Bolaczek hat das Restaurant mit Bierstube, Bistro und Biergarten „zehn Jahre und zwei Monate geführt“, sagt die ehemalige Wirtin.

Doch wie es bei alten Häusern häufig der Fall ist: „Es muss dringend saniert und umgebaut werden“, sagt Ella Bolaczek. Besonders, was die Leitungssysteme betreffe. Mit dem Geschäft „bin ich zufrieden gewesen“. Als der Vertrag auslief, „dachte ich mir, dass es Zeit für Veränderungen ist“. Und mit einem zweiten Objekt in Ratingen habe sie genug zu tun. Und auch in Saarn bleibt die Zeit nicht stehen.