Mülheim. . Plus.de, Zalando, Canimix: Das Unternehmen Tengelmann ist an zahlreichen Online-Shops beteiligt. Bereits vor zwölf Jahren startete das Unternehmen mit Internet-Shops durch. Und die Kapazitäten im E-Commerce sind noch lange nicht ausgereizt- dafür sollen neue Jobs in NRW geschaffen werden.
Zurück zu den Wurzeln, und doch ein Fingerzeig in die Zukunft: 130 Jahre ist es her, dass Tengelmann-Gründer Wilhelm Schmitz-Scholl seine Kaffeerösterei in Betrieb nahm. Im Jahr 2012 setzt das Speldorfer Handelsunternehmen auch wieder auf Kaffee: auf äthiopischen Gourmetkaffee, nachhaltig angebaut und fair gehandelt. Im Internet. Das Handelsgeschäft dort verspricht hohe Wachstumsraten.
Schon zwölf Jahre ist Tengelmann im elektronischen Handel (E-Commerce) unterwegs. „Plus.de“ war seinerzeit der erste Online-Shop eines deutschen Lebensmittel-Discounters. Die wöchentlich wechselnden Aktionsartikel auch über das Internet zu verkaufen, „das hat hervorragend funktioniert“, sagt Christian Winter. Er ist Geschäftsführer der Tengelmann Ventures GmbH, einer 100-prozentigen Tochter der Unternehmensgruppe Tengelmann. Unter dem Leitsatz „Funding your ideas!“ beteiligt sich Tengelmann Ventures seit 2009 an schnell wachsenden Internetunternehmen.
Startpunkt für neue Strategie
Das Jahr 2009 markiert den Startpunkt für eine neue Strategie im Online-Geschäft von Tengelmann. Das Traditionsunternehmen wollte dem Channel-Switch, wie Winter den zunehmenden Wechsel von Kunden vom Einkaufsmarkt um die Ecke ins Internet nennt, nicht tatenlos zusehen. Zur Sicherung der eigenen Marktstellung: „Für stationäre Händler ist der Channel-Switch eine große Gefahr, an Relevanz zu verlieren“, sagt Winter.
Die realen Plus-Märkte verkaufte Tengelmann 2008 an Edeka/Netto, „Plus.de“ aber blieb im Haus. Tengelmann Ventures sorgt seither für Investitionen in den wachsenden E-Commerce-Markt. Dabei ist das hauseigene „Plus.de“ mit mehr als 100.000 Artikeln im Angebot das Aushängeschild. Daneben aber hat sich ein buntes Beteiligungspuzzle ergeben.
Und immer wieder kommen neue Puzzle-Teile hinzu. Unter den Beteiligungen sind namhafte wie die an Zalando (u.a. Schuhe), Stylight (Mode/Lifestyle) oder baby-markt.de (Baby- und Kleinkinderartikel). Aber auch aufstrebende Unternehmen in Marktnischen zählen zum Beteiligungsportfolio, etwa Canimix (Hundetrockenfutter), Otto Gourmet (Fleisch und Fisch für Spitzengastronomie), Lieferheld (Plattform für Essen-Bringdienste) oder eben, siehe oben: Coffee-Circle.
Ausschau nach jungen Unternehmen
Tengelmann Ventures hält seit Jahren Ausschau nach jungen, stark wachsenden Unternehmen im E-Commerce-Bereich, um an ihrer Entwicklung und Wertsteigerung zu partizipieren. In der Regel geht die Tengelmann-Tochter dabei in eine Minderheitsbeteiligung zwischen 10 und 50 %, eine der aktuellen Ausnahmen bildet die 70 %-Beiteiligung an baby-markt.de seit Beginn dieses Jahres. Grundsätzlich gilt, so Winter, trotzdem: „Die unternehmerische Verantwortung lassen wir bei den Gründern und ihren Teams.“ Tengelmann bringt sich in die Beteiligungen dennoch mit mehr ein als nur mit Geld. Das komplette Unternehmensnetzwerk, der große Fundus an Branchenwissen und die Infrastruktur einer großen Unternehmensgruppe, steht zur Verfügung.
Über 20 Beteiligungen im E-Commerce-Bereich zählt die Tengelmann Venture aktuell und investiert in drei Bereiche: in klassische E-Commerce-Geschäftsmodelle, in den Sektor Lebensmittelhandel und in aufstrebende Unternehmen, die Technologie und Infrastruktur für den elektronischen Handel entwickeln und anbieten.
Interessante Einblicke in das japanische Konsumverhalten
Und die Tengelmann Ventures ist nicht auf den deutschen Markt fixiert. Das Unternehmen ist am Schuh-Onlinehandel in Russland (Lamoda) und Brasilien (Dafiti) beteiligt, Lieferheld.de ist längst auch in Australien, der Schweiz, Mexiko und Russland präsent. Auch in Japan ist Tengelmann unterwegs, um den Markt kennen zu lernen. Die Beteiligung am dortigen Shopping-Club „brands4friends“ bringe dem Haus interessante Einblicke in das japanische Konsumentenverhalten, sagt Winter. Etwa die Erkenntnis, dass japanische Konsumenten eine Bestellung praktisch nie retour gehen lassen. Bei einer Retourenquote von bis zu 50 % am deutschen Markt, vor allem bei Mode, verspricht der Online-Markt in Japan da ganz andere Möglichkeiten.
Der Blick an den Heimatstandort: „Wir sind hier im Ruhrgebiet, aber auch in NRW auf einem tollen Weg“, stellt Winter fest, mit den Beteiligungen in der Region bereits einer der größten Online-Arbeitgeber zu sein. 145 Mitarbeiter allein in der Speldorfer Zentrale sind mit dem Geschäft im Internet betraut. „Wir wollen kompetente Leute nach NRW holen“, stellt Winter weitere Jobs in Aussicht. Dafür kooperiert das Unternehmen etwa mit dem E-Commerce-Lehrstuhl der Uni Duisburg/Essen und dem Institut für Handelsforschung in Köln.
Der E-Commerce-Markt ist laut Winter in den vergangenen zehn Jahren um durchschnittlich 15 bis 20 % gewachsen – „und wird dies weiter machen“. Mindestens dieses Wachstum will Tengelmann verbuchen, um die Marktstellung zu halten. Es darf natürlich mehr sein...