Mülheim.
Wild-romantisch, in viel schwarz und weiß und allen nur erdenklichen Graustufen, strahlt dieser geheimnisvolle Märchenwald eine Totenstille aus, wird aber dann von Licht durchdrungen und ist von einer Helligkeit, die an asiatisches Schattenspiel oder an Raumteiler in japanischen Häusern erinnert. Und diese Bilder mit der fließenden Grenze zwischen Fotografie und Malerei tragen die Handschrift von Hiroko Inoue. Vielleicht ist es auch ein Hoffnungsschimmer, denn in ihrem Schaffen setzt sich Hiroko Inoue häufig mit den Naturgewalten auseinander.
So reiste sie in die Region „Tohuko“ in Ost-Japan, wo 2011 eine große Erdbeben-Katastrophe mit einer riesigen Tsunami-Welle an der Pazifik-Küste den Sandstrand zerstörte, einen Pinienwald bis auf einen Baum abrasierte, die Böden versalzte und damit ein kleines Paradies und ein ganzes Touristen-Gebiet zerstörte. Der „Wunderbaum“ ist heute Pilgerstätte, weiß Inoue, „ein Ort der Hoffnung“.
Mori bedeutet schwarzer Wald
Es sind Fotos, die durch das Wirken von Hiroko Inoue eine malerische Komponente erhalten, indem sie japanische Seide mit einer lichtempfindlichen Flüssigkeit bestreicht und die Negative nochmals belichtet. So sind ihre Wald-Bilder entstanden, an denen sie im Rahmen der „Mori-Serie“ im Schloß Styrum weiterarbeitet. Das japanische Wort „Mori“ bedeutet „der schwarze Wald“. Erstmals waren diese Arbeiten im vergangenen Jahr in einer Ausstellung im Kunstverein Dortmund zu sehen. Neu reiht sich auch der Uhlenhorst in diese Serie ein.
Das Thema „Vergänglichkeit“ steht im Fokus des Schaffens von Hiroko Inoue, die auch an großen Installationen – häufig in Verbindung mit Fotografie – im öffentlichen Raum arbeitet. Wenngleich der Mensch dabei im Mittelpunkt steht, bleibt dieser aber immer unsichtbar.
"Ein Memorial für den Bergbau schaffen"
Der Betrachter kann sich in seiner Fantasie ausmalen, was es beispielsweise bedeutet, wenn er die Fotos über Waschautomaten für Menschen in einem japanischen Altenheim sieht, oder einfach nur die Dinge, die Patienten in einer Psychiatrie zurücklassen. Beim Anblick eines Kamms, eines Tagebuchs, einer Gebetskette oder von Briefen wird das ganze Räderwerk an Geschichten im Kopf in Gang gesetzt. Die ruhige Ästhetik setzt sich auch in der Objektkunst fort. Unter dem Titel „Lob des Schattens“ schuf die Künstlerin 2007 in South Carolina (USA) eine 17 Meter lange Skulptur aus Bambus als einen Ort der Meditation.
Im Moment beschäftigt sich Hiroko Inoue mit der Idee, „ein Memorial für den Bergbau zu schaffen, der ja hier bald vorbei ist“. Eine Skizze, wie ein Streb bei Dunkelheit beleuchtet wird, gibt es bereits. Ihre engagierte Arbeit sieht sie auch als einen kulturellen Bildungsauftrag.
Mit der Kunst das Trauma verarbeiten
Einzelpräsentation und Ausstellungsbeteiligungen hatte Hiroko Inoue u.a. in Japan, Korea, Singapur, USA, Frankreich, Österreich und Deutschland. Wenn die freie Künstlerin nicht gerade in der Welt unterwegs ist, arbeitet sie als Gast im Atelier des Mülheimer Filmemachers Rainer Komers im Schloß Styrum. Kennengelernt hat er die Kreative aus Japan 1999, als sie über fünf Monate lang Gastkünstlerin in Düsseldorf war.
Mitgewirkt hat Inoue bei Komers Film über Kobe in 2005. Zehn Jahre nach dem gewaltigen Erdbeben 1995 in der westlich von Osaka gelegenen japanischen 1,4-Millionen-Stadt hatte Komers den Auswirkungen mit der Kamera nachgespürt. Die Verwüstung der als erdbebensicher geltenden Hafen- und Industriestadt hatte den Fortschrittsglauben und das Technikvertrauen in Japan empfindlich getroffen. Tausende Menschen kamen dabei ums Leben. Ein Teil der Familie von Hiroko Inoue lebte auf Kobe. Die Arbeit hat ihr geholfen, das Trauma zu verarbeiten.