Mülheim. Die Abiturientin Lina Wewers geht für ein Jahr nach Chile, um dort als freiwillige Sozialarbeiterin mitzuhelfen.
Bis vor wenigen Tagen hat Lina Wewers nur eines gemacht – für ihr Französisch-Abitur gelernt. Mit Erfolg. Jetzt übt die Heißener Abiturientin aber nur noch Spanisch. Und das hat seinen guten Grund: Nach ihrer 13-jährigen Schulzeit an der Freien Waldorfschule wird sie Ende Juli nach Chile aufbrechen.
„Meine Eltern sind beide Lehrer und wir haben im Urlaub schon viele Länder bereist“, erzählt die 19-Jährige. In Frankreich und Spanien hatte sie ebenso schon ihre Füße stehen wie in England und Schottland oder in Italien, Portugal, Holland und Österreich. Wer als Globetrotter in jungen Jahren schon so viel von Europa gesehen hat, den zieht es natürlich weiter hinaus in die Welt. Schließlich sangen schon die Alten: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt in die weite Welt.“
Das wahre Leben
Doch Lina Wewers fliegt nicht als Touristin für drei oder vier Wochen nach Chile. Sie will als Freiwillige ein ganzes Jahr in dem südamerikanischen Staat leben und arbeiten.
„Über meinen eigenen Tellerrand hinauszuschauen, indem ich mit Menschen aus einer ganz anderen Welt und unter ganz anderen Lebensverhältnissen zusammen lebe und arbeite“, reizt sie ungemein. Schon in der elften Klasse zog es sie ins Ausland. Da absolvierte sie ihr Schülerpraktikum auf einem Bauernhof bei Avignon.
„Die Menschen, mit denen ich dort zusammenarbeiten durfte, waren sehr offen und gelassen“, erinnert sie sich an ihre erste Auslandserfahrung jenseits touristischer Urlaubsromantik. Kein Wunder, dass da aus zwei am Ende sieben Praktikumswochen wurden. Dieses Schlüsselerlebnis und Erfahrungsberichte älterer Mitschüler, die ebenfalls im Ausland gearbeitet hatten, inspirierten sie zu ihrem bald beginnenden Auslandseinsatz in Chile.
"Ich bin für alles komplett offen"
Ein sechswöchiger Spanisch-Kurs in Salamanca schuf die erste Voraussetzung dafür, um als freiwillige Sozialarbeiterin in Chile (man spricht dort spanisch) bestehen zu können. Später nahm Lina erfolgreich an einem Auswahlseminar der Fifar teil, bei dem sie mit ihren in den Sommerferien erworbenen Sprachkenntnissen Alltagssituationen simulieren musste. „Ich weiß noch nicht im Detail, was mich in Chile erwartet, aber ich bin für alles komplett offen“, sagt Wewers. Nur so viel weiß sie schon: Sie wird in San Felipe und Santa Maria arbeiten und leben. Diese Orte erreicht man, wenn man mit dem Auto von der Hauptstadt Santiago de Chile zwei Stunden in Richtung Norden fährt.
Dort kann Lina zum Beispiel mit Kindern und Jugendlichen oder auch mit Senioren in einem Altenheim arbeiten. Die Bandbreite der möglichen Erfahrungen reicht von der Hausaufgaben- und Freizeitbetreuung bis hin zum Englisch- Sportunterricht als Hilfslehrerin in einer Schule. Auch zwischen der psychosozialen Betreuungsarbeit in einem Jungen- und in einem Altenheim oder der pädagogischen Mitarbeit in einem Jugendzentrum kann sie wählen. In mindestens drei Sozial- und Bildungseinrichtungen wird sie aktiv werden. Welche Optionen für sie am Ende in Frage kommen, will Lina aber erst vor Ort entscheiden.
Es wird kein leichtes Jahr
Schon jetzt weiß sie, dass sie bei ihrer Arbeit auf Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien stoßen wird. „Die chilenischen Jungs sollen ja ganz schöne Machos sein“, sagt sie und lacht.
Sicher wird es kein leichtes Jahr . Aber die Abiturientin, die noch nicht genau weiß, ob sie ihre berufliche Zukunft als Journalistin, als Psychologin oder als Lehrerin sieht, liebt Herausforderungen. „Ich werde durch meine Arbeit die Welt nicht verändern können, aber ich kann Lebenserfahrung gewinnen und mich auch sprachlich weiterentwickeln“, gibt sich Wewers bescheiden und realistisch, wenn man sie nach den persönlichen Zielen ihres Auslandsjahres befragt.
Ab August wird Lina Wewers in der Mülheimer NRZ regelmäßig über ihre Erlebnisse in Chile berichten. Sie ist eine von sechs jungen Freiwilligen, die vom Forum für internationale Friedensarbeit (Fifar) für ein Jahr nach Chile entsandt werden. Der gemeinnützige Verein wurde vor 15 Jahren von Exil-Chilenen in Deutschland gegründet und betreut seitdem Freiwilligen-Projekte in der alten Heimat. Seit 2008 arbeitet der ehrenamtlich getragene und durch Spenden finanzierte Verein mit dem Freiwilligendienst der Evangelischen Kirche im Rheinland zusammen.
Da der kleine Verein nur einen Teil der Projektkosten tragen kann, suchen Lina Wewers und ihre freiwilligen Kollegen für ihre soziale Arbeit in Chile Menschen, die bereit sind, sie mit einer freiwilligen Spende und gegen ausführliche Arbeitsberichte finanziell zu unterstützen.
Kontakt per E-Mail an: lina.wewers@web.de