Mülheim. .
Mit Kugelschreiber wurde das Wort auf einen Zettel geschrieben und von innen an die Glastür geklebt: „Geschlossen“ steht darauf. Es scheint, als wäre es für die zwei Verkäuferinnen drinnen die letzte Rettung gewesen. Viertel vor vier am Freitagnachmittag ist es, und da haben die beiden Frauen in den weißen Kitteln schon Stunden der Dauerbelagerung hinter sich. Der erste Tag des Totalausverkaufs bei Schlecker – und in der Filiale an der Eppinghofer Straße stehen Menschen Schlange bis auf den Bürgersteig.
30 % auf alles, steht auf den roten Schildern. Sie sind durchs Schaufenster sichtbar. Und durch das Glas sieht man auch die Schlange, die sich von der Kasse quer durch den Laden erstreckt. „Die lassen keinen mehr rein“, sagt eine Frau, die mit ihrer kleinen Tochter vor dem Geschäft steht und auf ihren Sohn wartet. Der ist tatsächlich noch drinnen, die Arme voller Duschgel. Die Tür ist zugeschlossen und es kommen ständig neue Leute, mit Einkaufszetteln, Taschen und Rollwagen. Eine Menschentraube bildet sich auf dem Bürgersteig. So viele Kunden hat dieses Geschäft sonst über Wochen nicht gehen.
Niemand wird mehr reingelassen
Eben haben die Menschen noch ordentlich aufgereiht gewartet, als sie dachten, sie würden nacheinander eingelassen, sobald ein Kunde den Laden verlässt. „Warum lassen die keinen mehr rein?“, will eine Frau wissen. „Da haben doch noch genug.“ Tatsächlich sind die meisten Regale noch voll. „In Essen sah das anders aus. Die waren heute Morgen schon leergekauft“, berichtet eine Frau, die ihren Namen nicht nennen möchte. Vielleicht, damit niemand erfährt, dass dies ihre zweite Schnäppchenjagd bei der insolventen Drogeriemarktkette ist. Sie ist zum Stöbern gekommen: „Ich schaue mal, was es noch gibt.“
Das, berichtet eine andere Wartende, die ebenfalls anonym bleiben möchte, haben heute viele gemacht – sie aber nicht. „Ich habe nur Sachen gekauft, die ich sowieso brauchte. Zu verschenken haben die da drin auch nichts“, sagt sie und meint: Auch bei 30 % Rabatt muss man noch 70 % zahlen. Wattestäbchen liegen nun in ihrem Karton, Gummibärchen und viele Duschgel-Packungen. „2,10 Euro“, sagt sie, habe sie pro Duschgel gespart.
Schlecker hat geschlossen
Sonst, das räumen alle Umstehenden ein, haben sie nie bei Schlecker gekauft. „Die Preise von denen waren ja auch jenseits von Gut und Böse“, sagt eine. „Alle anderen Drogerien waren billiger.“
Jetzt öffnet sich endlich die Ladentür. Kunden, vollbepackt mit Tüten, kommen heraus. „Dürfen wir jetzt rein?“, fragt ein Mann. „Nein“, antwortet die Verkäuferin, „wir haben geschlossen.“ „Und morgen?“ Sie überlegt nur kurz: „Morgen auch. Und dann immer.“ Damit fällt die Tür wieder zu, mehr will sie nicht sagen. Man sieht es ihr an: Auf eine schwere Zeit folgte heute ein schwerer Tag. Ein paar Kunden nehmen das so hin, sie drehen sich wieder um und gehen – gibt’s eben keine Schnäppchen. Zwei ältere Damen drehen achselzuckend um. Ein anderer Mann trifft derweil auf die verschlossene Tür und tritt erst einmal mit Wucht dagegen. Nach fünf Minuten Rummaulen zieht auch er wieder ab. Es hilft alles nichts: Schlecker hat geschlossen.