Mülheim. . Aufregung um den Mülheimer Energiedienstleister Medl: Die Geschäftsführung soll zukünftig die Verbraucherpreise für Gas, Strom oder Fernwärme ändern können, ohne dass der Aufsichtsrat zustimmen muss. Der Stadtrat soll dazu gar nicht erst gefragt werden.
Der Aufsichtsrat des örtlichen Energiedienstleisters Medl soll künftig nicht mehr zustimmen müssen, wenn die Verbraucherpreise für Gas, Strom oder Fernwärme geändert werden. Das Kontrollgremium der Medl hat seiner diesbezüglichen Entmachtung nach Informationen dieser Zeitung selbst mehrheitlich den Segen gegeben. Der Stadtrat soll in dieser Angelegenheit erst gar nicht gefragt werden. Die Mülheimer Bürgerinitiativen sind vor dessen heutiger Sitzung auf die Barrikaden gegangen.
Bisher ist im Gesellschaftsvertrag der Medl bestimmt, dass der Aufsichtsrat einer Änderung der Verbraucherpreise für Gas, Fernwärme und neuerdings auch Strom zustimmen muss. Das Gremium ist besetzt mit Vertretern der Medl-Gesellschafter Stadt (51 %) und RWE (49 %), der Wirtschaft, der Arbeitnehmer und eben der Ratspolitik.
Schneller auf den Markt reagieren
Nun hat der Aufsichtsrat unter Mitwirkung der Politik einer Änderung des Gesellschaftsvertrages zugestimmt, damit die Medl-Geschäftsführung in ihrer Preispolitik in Zukunft schalten und walten kann, wie sie will. Da es sich dabei um keine wesentliche Änderung des Gesellschaftsvertrages handele, so Dr. Hendrik Dönnebrink als Chef der städtischen Beteiligungsholding, müsse hiefür keine Zustimmung des Stadtrates eingeholt werden.
Eine wesentliche Vertragsänderung, so Dönnebrink mit Verweis auf etwaige Beteiligungsrichtlinien der Stadt, liege nur dann vor, wenn etwa der Gesellschaftszweck geändert werden solle. So weitreichend sei die Entscheidung aber nicht, künftig ohne Aufsichtsrat Preise für Gas, Fernwärme und Strom festlegen zu wollen. Die MBI sehen das anders, sie wollen auf jeden Fall ein verbindliches Votum des Stadtrates zu dieser Frage.
Auf WAZ-Anfrage erklärte Medl-Geschäftsführer Hans-Gerd Bachmann die Loslösung der Preispolitik von der Zustimmung des Aufsichtsrates als längst überfällig. Das Unternehmen könne nicht drei Monate bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung verstreichen lassen, um sich für eine vom Wettbewerbsmarkt erzwungene Preisanpassung eine Zustimmung einzuholen. Durch die Liberalisierung und den zunehmenden Wettbewerb könne die Medl längst nicht mehr mit langfristigen Verträgen für die Energielieferung hantieren. Man sei viel stärker abhängig von Preisentwicklungen auf der Lieferantenseite und müsse darauf gegebenenfalls schnell reagieren.
Den Kunden versucht Bachmann die Angst davor zu nehmen, dass das Unternehmen ohne Kontrolle des Aufsichtsrates künftig willkürlich an der Preisschraube drehen könnte. Das könne sich ein Energieversorger heute gar nicht mehr leisten. Bei der Vielzahl an Konkurrenzanbietern bedeute jede noch so kleine Preiserhöhung eine Abwanderung von Kunden.
Versorger in Nachbarstädten lassen Aufsichtsräte auch außen vor
Daher brauche es die Kontrolle des Aufsichtsrates gar nicht mehr. „Der Markt straft uns von alleine ab.“ Bachmann betont, dass die Medl ihren Gaspreis seit längerer Zeit stabil hält. Überdies sieht Bachmann die Stadt als Gesellschafterin auch künftig noch über die Geschäftspolitik der Medl wachen. Kontrollmacht übe sie über die Mitbestimmung bei der Erstellung des Wirtschaftsplans aus.
Nach WAZ-Information hat der Ältestenrat des Stadtrates gestern entschieden, einen MBI-Antrag zur Befassung des Rates mit der geplanten Änderung des Gesellschaftsvertrages heute nicht im Rat behandeln zu lassen. Der Hauptausschuss soll am 28. Juni beraten. Eine Umfrage der WAZ in den Nachbarstädten hat gestern ergeben, dass weder bei den Stadtwerken Duisburg und Essen noch bei der Energieversorgung Oberhausen der Aufsichtsrat in der Preispolitik der kommunalen Energieversorger mitentscheiden darf.